Wer es noch nicht gemerkt hat: Die letzten Tage (und noch bis kommenden Donnerstag) sind etwas ungewöhnliche Einträge auf Beim Christoph erschienen. Das “Warum” steht jeweils direkt darunter: Ich war vergangene Woche auf meinem 2. Bildungsurlaub in diesem Jahr. Damit habe ich auch endlich meine Lücke von 2021 geschlossen . Zur Erinnerung: Ihr könnt euren Anspruch auf Bildungsurlaub ins nächste Jahr übertragen, wenn ihr es nicht schafft ihn zu nehmen. Müsst das nur immer gegenüber eurer Führungskraft klar kommunizieren. Und nein, ihr könnt nicht beliebig viele Wochen verschieben und ansammeln. Es geht immer nur der vom Vorjahr. Nehmt ihr ihn dann immer noch nicht, verfällt der Anspruch gänzlich.
Doch zurück zu letzter Woche: Ich war auf dem Bildungsurlaub namens “Autobiografisches Gestalten und Schreiben” von Susanna Willms. Es war das erste Mal, dass sie diesen Kurs angeboten hat. Mit dabei waren noch sieben andere Interessierte. Und ja, die meisten davon Frauen 40+. Aber ich gehöre ja mittlerweile ebenfalls zu dieser Altersgruppe – insofern passt das schon . Ich schrieb Lysanda sogar grad eine SMS von wegen “bin wohl mal wieder der Hahn im Korb”, als dann doch noch ein weiterer junger Herr auftauchte (ja, ich war mal nicht der Jüngste!) und die Männerquote verdoppelte. Warum nutzen die so wenig die Gelegenheit einen Bildungsurlaub zu machen?! Oder suche ich mir immer die nicht so “männlichen” Angebote raus? Egal. Interessant klang der Kurs für mich vor allem wegen dem Fokus auf das “Schreiben”. Das tue ich ja bekanntlich viel und auch durchaus gerne über mein Leben. Insofern habe ich gar nicht lange überlegt und mich angemeldet.
Der Inhalt
Wie der Name schon andeutet, geht es darum die eigene Lebensgeschichte zu verarbeiten. Die Idee der Dozentin war uns jeden Tag ein Thema zu geben und dies dann sowohl schriftlich als auch gestalterisch festzuhalten. Das klappte am Ende nicht ganz, weil wir an einem Tag ein wenig den Rahmen sprengten. Aber dazu gleich mehr. Den Anfang jeden Tages bildete nämlich erst einmal der Tages-Impuls. Das waren 10 Minuten freies Schreiben. Was die anderen dabei so verfasst haben, weiß ich nicht. Es wurde nämlich im Gegensatz zu den anderen Texten nicht vorgelesen. Entsprechend kann ich nicht sagen, ob ich die Aufgabe technisch gesehen falsch verstanden hatte und man eigentlich eher sowas wie einen Tagebucheintrag texten sollte. Korrigiert hat mich aber auch keiner, da ich zumindest drei meiner Impulse dann doch vortrug.
Den von Tag 2, weil ich (selbstverständlich) meine Webseite erwähnte und dieser Text dann am nächsten Morgen kurz zum Thema wurde. Außerdem noch die Impulse von Tag 4 und Tag 5, da ich diese mit dem Tagesthema im Hinterkopf verfasst hatte. Entsprechend las ich sie vor meinem eigentlichen Text – quasi wie eine Ouvertüre zur Einstimmung. Und ja, die Jungspunde unter euch wissen vermutlich gar nicht mehr was eine Ouvertüre ist. Wenn in einem Film nicht innerhalb der ersten 60 Sekunden einer erschossen wird, dann verlässt man schließlich heutzutage direkt das Kino.
Doch ich schweife ab: Nach dem Impuls ging es relativ zügig zum Tagesthema übrig. Tatsächlich bestand der Bildungsurlaub aus extrem wenig Theorie. Das fand ich allerdings nicht weiter schlimm. Gab‘ in dem Sinne ja auch nicht viel zu sagen abseits von “Schreib über dich!”. Stattdessen lebte er zum einen vom eigenen Tun und zum anderen vom gemeinsamen Erlebnis sowie ein bisschen Feedback. Schließlich hat jeder eine andere Geschichte zu erzählen. Entsprechend war es ein Privileg sie zu hören und darüber sprechen zu können.
Tag 1
Es fing am ersten Tag relativ leicht an. Zuerst sollten wir unsere Eltern malen. Als Inspiration gab uns die Dozentin irgendein Gemälde eines bekannten Künstlers. Entschuldigt, wenn ich mir das nicht gemerkt habe. Es sah für mich ziemlich doof aus. Bei mir entstand daraus dann das Kunstwerk, das ihr auf der rechten Seite sehen könnt. Wer meine Eltern kennt, kann sicherlich Ähnlichkeiten erkennen. Zumindest finde ich, dass ich vor allem Mutter sehr gut getroffen habe. Meine Kunst bezeichnete ich übrigens zur Erheiterung der Runde als “kindlicher Post-Modernismus”. War definitiv der Unbegabteste, was das Zeichnen anging. Die Bilder der anderen sahen viel besser aus .
Stichwort Nr. 2 war dann “Ein Sonntag mit der Familie”. Dazu schrieben wir den ersten längeren Text und lasen ihn uns gegenseitig vor. Für mich war das Vorlesen tatsächlich noch mehr als das Schreiben ein absolutes Highlight. Nicht nur, weil ich so neue Eindrücke aus den Leben der anderen erfahren konnte. Sondern auch, weil das Vorlesen nochmal die Möglichkeit gibt dem eigenen Text… ja, etwas mehr Leben einzuhauchen. Es ist definitiv eine Sache etwas einfach nur zu lesen und eine ganz andere, wenn einem der Autor seine Intentionen zusätzlich verbal rüberbringt. Das habe ich entsprechend durchaus genossen und ausgenutzt. Und zumindest gefühlt kam es auch gut in der Gruppe an, was ich da im Laufe der Woche fabriziert und wie ich es vorgelesen habe. Im Anschluss war die Aufgabe ein Wort-Art zu malen. Wir sollten uns zehn Wörter aus unserem Text suchen und damit dann ein Bild zeichnen. Meins fällt dabei in die Kategorie „wörtlich genommen“ – ich hab einfach versucht alle Begriffe irgendwie halbwegs sinnvoll angeordnet unterzubringen.
Tag 2 und 3
Das Thema an Tag 2 war die eigene Lebenslinie. Dazu sind wir zuerst in die nahegelegene Fasanerie gegangen. Allein auf uns gestellt war die Aufgabe unser Leben von heute an zurückzugehen bis zu unserer Geburt – und zwar in einer Spirale. Der Hintergedanke war natürlich uns unsere Zeit auf dieser Erde wieder ins Gedächtnis zu rufen, damit wir dann im Anschluss darüber schreiben konnten. Als Inspiration für das dazugehörige Bild gab es die Idee die Häuser zu malen, in denen man in seinem Leben schon gewohnt hat und diese quasi als Stationen für die dazugehörigen Ereignisse zu nutzen. Da mein Leben allerdings bislang ziemlich stationär ablief (vier Häuser – in zweien weniger als ein Jahr verbracht), habe ich mich stattdessen für eine klassische Lebenslinie entschieden. Und ja, es war eine bewusste Entscheidung meine Schreibarbeit (Webseite, Studium, GamersGlobal) sehr dominant in die Mitte zu setzen. Das war und ist für mich was sehr Wichtiges und Prägendes.
An diesem Punkt haben wir dann das Konzept der Dozentin etwas durcheinandergeworfen. Zumindest war es eigentlich nicht die Idee, dass jetzt jeder seine komplette Lebensgeschichte erzählt. Aber die erste Vorträgerin fing damit an und dann haben wir das halt bis zum Ende mehr (=die anderen) oder weniger (=ich) ausführlich durchgezogen. Das hat – verständlicherweise – den ganzen Mittwoch gedauert. Doch ehrlich gesagt empfand ich (und die anderen) das als äußerst wertvolle Erfahrung. Wie gesagt: Wo bekommt man sonst so einen tiefen Einblick in ein anderes Leben und mitunter auch eine andere Zeit (die älteste Dame war 71).
Tag 4 und 5
Die Überschrift für den Donnerstag war die erste Liebe. Das ist bei mir bekanntlich auch die einzige – zumindest, wenn man es auf Menschen bezieht. Aber das ist ja nicht weiter tragisch. Stattdessen habe ich an diesem Tag meinen längsten Text des Bildungsurlaubs verfasst. Ihr könnt ihn ab morgen hier lesen. Dort erfahrt ihr erstmals, wie es mit Lysanda und mir anfing. Das hatte ich euch damals bei der „Enthüllung“ ja noch verschwiegen. Aber mittlerweile ist so viel Wasser den Main/Rhein/Mosel runtergeflossen, da kann ich ruhig das Geheimnis lüften. Mal abgesehen davon, dass ich den Text als wirklich gelungen ansehe. Kann jedoch nicht ausschließen, dass ich dahingehend ein wenig voreingenommen sein könnte . Zum Text wurde dann wieder ein Bild gemalt – dieses Mal mit Aquarellfarben. Ich habe die zentrale Szene aus meiner Erzählung dazu hergenommen. Ihr findet es ebenfalls im dazugehörigen Eintrag, wie auch alle anderen Bilder, die ich zu den jeweiligen Berichten angefertigt habe.
Am letzten Tag gab uns die Dozentin nach dem Impuls dann gleich drei Aufgaben:
- Schreibe eine Liste der Menschen, die mich gestärkt haben und die dazugehörige Ressource.
- Beantworte in Textform die Frage, wer davon mich am meisten geprägt hat.
- Bastele ein Büchlein entweder über den Bildungsurlaub oder über die eigene Zukunft.
Wie die meisten in der Gruppe, habe ich mich erst einmal ans Basteln gemacht. Auch, weil ich mir mit dem Erstellen der Liste extrem schwergetan habe. Mit dem Ergebnis, dass ich am Ende keine hatte. Und der dazugehörige Text (ab Mittwoch an dieser Stelle zu finden) ging mir tatsächlich ebenfalls nicht so locker flockig aus der Hand wie die vorherigen. Er wurde am Ende sogar der kürzeste Text der Woche (abseits der Impulse). Aber nach dem Vorlesen waren die Anwesenden durchaus ein wenig sprachlos ob meiner emotionalen Liebeserklärung an Lysanda. Insofern scheine ich was richtig gemacht zu haben.
Zum Büchlein habe ich hingegen gar nicht viel zu sagen. Ich habe den Bildungsurlaub als Thema genommen und mich einfach von den Bildern inspirieren lassen, die ich in den Illustrierten gefunden habe. Zumindest ich finde die ein oder andere Sache durchaus amüsant und habe viel geschmunzelt beim Basteln.
Und dann war der Bildungsurlaub leider auch schon wieder vorbei. Also zumindest nachdem wir noch ein letztes Elfchen zum Thema Bildungsurlaub geschrieben und eine finale Feedbackrunde gemacht hatten. Das war nämlich noch eine Sache, die wir zusätzlich zu den langen Texten schreiben durften: Ein kleines Gedicht. Und als Form war uns eben das Elfchen vorgegeben. Meine findet ihr ab Donnerstag dann hier. Ich weiß, ich bin absolut gemein . Aber im Prinzip ist die Grundvorgabe schlicht und einfach ein Gedicht mit elf Wörtern zu schreiben.
Fazit
Über meinen Bildungsurlaub im April hatte ich geschrieben, dass es für mich der bislang beste war, den ich hatte. Nach dieser Woche bin ich mir da ehrlich gesagt nicht mehr ganz sicher. Das Autobiografische Gestalten und Schreiben war extrem kurzweilig (die Tage vergingen buchstäblich wie im Fluge) und hat mir sehr viel Spaß gemacht. Einfach so auf Basis eines Triggers handschriftlich aus meinem Leben zu erzählen, anschließend etwas dazu zu malen und beides dann auch noch vorzutragen war für mich schon durchaus was Besonders und ein schönes Erlebnis. Und dann waren wir (zum Glück) auch noch eine Gruppe voller gleichgesinnter. Keiner, der aus dem Rahmen fiel und uns in die Suppe spuckte. Stattdessen haben alle das Angebot der Dozentin dankend angenommen und sich der Sache hingegeben. Das schaffte eine angenehme Atmosphäre, in der auch jeder – ich inklusive – bereit war loszulassen und sich zu öffnen, egal wie emotional es teilweise wurde.
Zurück bleibt für mich somit zum einen der Wunsch diesen Bildungsurlaub irgendwann nochmal zu machen. Wobei die Dozentin sich leider aufgrund des Aufwands nicht ganz sicher ist, ob sie ihn nochmal durchführt. Zum anderen die Erkenntnis, dass es doch ein paar Sachen in meinem Leben gibt, über die es sich zu berichten lohnt. Ach, und die mich beflügelnde Befriedigung, dass ich durchaus gute und mitreißende Texte schreiben kann. Zumindest würde ich lügen, wenn ich sagen würde, dass das äußerst positive Feedback nicht Balsam auf meiner Seele gewesen wäre .