Das Gewichtsdiagramm unserer Katzen

Sollte es mich eigentlich deprimieren, dass Balu besser im Abnehmen ist als ich? Jahrelange war der Kerl mit Abstand der schwerste im Bunde und jetzt? Liegt er gleichauf mit den anderen Jungs (Pichu und Jules). Oder um es in Zahlen auszudrücken: In den ersten fünf Jahren bei uns hat er sich von anfangs 6,2kg (2016) bis auf 8,3kg (2021) hochgefuttert. Zum Wiegen benutzen wir übrigens ganz einfach eine digitale Babywaage*, das ist wesentlich genauer als die Katzen mit auf die Menschenwaage zu nehmen. In den letzten zwei Jahren hat er hingegen stetig abgenommen und ist aktuell bei 5,7kg (lt. Tierarzt-Waage sogar 5,4kg). Und diese Kilos hat er ganz allein verloren! Wir haben keine Diät mit ihm gemacht. Es gab keine Futterumstellung. Wir haben nichts geändert. Er hat nur im Juli 2023 bis auf seine kleinen Frontzähnchen das komplette Gebiss geräumt bekommen. Das hat seine Begeisterung für Futter jedoch nicht beeinflusst.

“Viel Gewicht verloren” könnte freilich auch ein Warnzeichen für irgendwas sein. Und mit mittlerweile über 13 Jahren auf dem Buckel ist er zudem nicht mehr der Jüngste. Entsprechend waren wir letzte Woche mal beim Tierarzt mit ihm für einen kleinen Checkup inkl. großem Blutbild. Das Ergebnis war – wenn man davon absieht, dass er aus Angst sein Geschäft im Katzentragekorb verrichtete – erfreulich: Obwohl er manchmal so tut, als wäre er so alt wie Methusalem, ist Balu körperlich absolut topfit. Alle seine Werte sind voll im grünen Bereich, sein Fell wurde sogar gelobt und sein Herz war zwar aufgeregt, klang aber ebenfalls einwandfrei. Die Kosten… nun mit fast 300€ war die Sache nicht ganz billig. Aber so ist das halt mit Tieren. Man muss sie sich durchaus leisten können.

Okay, “topfit” ist technisch gesehen gelogen. Eine chronische Krankheit hat er sich mittlerweile doch eingefangen.

Die alte Leute-Krankheit

Bemerkt haben wir erstmalig, dass Balu was hat, als er mal wieder Jules auf der Terrasse nachgejagt ist. Er ist dabei Jules hinterher den Grill hoch- und – logischerweise – danach wieder runtergesprungen. Anschließend hat er gehumpelt. Das gefiel uns gar nicht, weshalb wir ihn eingesackt und zum Tierarzt gebracht haben. Aufgrund seines Alters brachte Lysanda relativ zügig das Thema Arthrose ins Spiel. Entsprechend haben wir ihn röntgen gelassen. Selbst erkenne ich es auf dem Röntgenbild nicht, aber die Diagnose war für den Tierarzt eindeutig.

Balus Röntgenbild

Als Akutmaßnahme bekam er erstmal eine Spritze Melosolute. Das ist anscheinend ein Schmerzmittel, das man normalerweise nach einer Weichteiloperation zur Schmerzminderung verabreicht. Für Zuhause gab es hingegen das übliche: Metacam. Damit ging es ihm logischerweise erstmal besser. Das Problem an sich war nicht behoben. Bei Arthrose ist es bei den Tieren jedoch scheinbar wie mit den Menschen: Viel kann man nicht tun außer die Beschwerden lindern. Sprich: das Immunsystem stärken, die Entzündung lindern und den Knochenaufbau unterstützen.

Übrigens: Obwohl Arthrose gerne mit älteren Generationen in Verbindung gebracht wird, kann die Krankheit prinzipiell in jedem Alter auftauchen. Es steigt nur die Wahrscheinlichkeit je älter man wird, da es sich im Grundsatz um eine Abnutzungserscheinung der Gelenke handelt. Diese Tierarztpraxis aus der Schweiz behauptet, dass 90% der Katzen über 12 Jahre arthrotische Veränderungen im Röntgenbild zeigen. Das heißt nicht, dass sie unbedingt schon Schmerzen und so haben. Aber man kann zumindest die Anfänge sehen.

Die tierärztliche Behandlung

Der Arthrose ist man also hilflos ausgeliefert. Es geht nur noch darum das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Die “einfachste” Variante in dieser Hinsicht ist es wohl monatlich zum Tierarzt zu gehen und der Katze Solensia zu spritzen.

Das ist ein Schmerzmittel explizit für den Einsatz bei Osteoarthritis. Es blockiert die Bildung des Proteins Nervenwachstumsfaktor, was bei der Schmerzweiterleitung beteiligt ist. Sprich man hat zwar technisch gesehen Schmerzen, spürt sie aber einfach nicht. Zwei Ampullen kosten rund 115€ – je nach Gewicht muss man entweder eine (bis 7kg) oder beide spritzen. Also nicht ganz billig die Sache. Und die Nebenwirkungen können wohl ebenfalls nicht ohne sein, wenn man sich so die Erfahrungsberichte anderer Katzenbesitzer u.a. bei Facebook durchliest. In den klinischen Studien wurden hingegen nur Hautreaktionen wie Juckreiz oder Haarausfall festgestellt. Außerdem gibt es einige Situationen, in denen das Medikament absolut nicht gegeben werden sollte. Beispielsweise bei schwangeren, nierenerkrankten oder gegen den Wirkstoff Frunevetmab allergischen Tieren. Während der Tierarzt Solensia also als erstes Mittel der Wahl sah, rät die Facebook-Gruppe dazu erst alle anderen Möglichkeiten auszuschöpfen.

Es gibt aber durchaus Katzen, die Solensia gut vertragen. Aber, wenn ihr Solensia nutzt und irgendwelche Nebenwirkungen feststellt, könnt (und solltet) ihr diese an die Firma Zoetis melden. Die ist zuständig für das Medikament und kann dann ggf. weitere Forschung betreiben.

Was wir tun

Wenn das keine zufriedene Katze ist, dann weiß ich auch nicht.

Wir haben uns vorerst gegen Solensia entschieden. Stattdessen hat Lysanda das gemacht, was sie immer macht: Recherchiert. Das Ergebnis ist, dass Balu jetzt morgens Methylsulfonylmethan (MSM), Kollagen und Palmitoylethanolamid (PEA) bekommt. MSM und Kollagen haben wir auch in unserem täglichen Nahrungsergänzungsmittel-Cocktail.

  • MSM wird auch als organischer Schwefel bezeichnet. Schwefel wird für zahlreiche Prozesse in unserem und dem tierischen Körper benötigt. Er ist ein natürliches Antioxidans, wird zur Insulinproduktion benötigt, stärkt das Immunsystem und ist essentiell für die Entgiftung. Im Fall von Arthrose ist jedoch seine Funktion als “Gelenk-Futter” am relevantesten. Er hilft beim Aufbau von neuem Knorpelgewebe, wird zur Bildung von Kollagen und Glucosamin benötigt und wirkt Entzündungshemmend.
  • Kollagene sind hingegen eine Gruppe von Proteinen. Sie machen wohl rund 25% der Gesamteiweißmenge in unserem Körper aus. Kein Wunder: Sie sind überall vorhanden. Haut, Knochen, Sehnen, Knorpel, Blutgefäße, Zähne. Keine Stelle, wo es kein Kollagen zu finden gibt. Entsprechend wichtig ist es, dass wir welches haben bzw. herstellen können. MSM hilft wie erwähnt bei dieser Produktion. Aber da es so eine wichtige Rolle im Körper spielt, ist eine externe Zufuhr nicht verkehrt. In Bezug auf die Gelenke hilft es bei der Mobilität und gegen die Schmerzen.
  • PEA wird grundsätzlich ebenfalls vom Körper selbst produziert. Es wirkt entzündungshemmend und schmerzlindernd und wird u.a. im Endocannabinoid-System gebraucht. Ja, das hat tatsächlich mit Cannabis zu tun. Genauer gesagt ist es der Teil unseres Nervensystems, der auf THC reagiert. Körperlicher und emotionaler Stress fördern wohl die Produktion dieses Lipids. Die separate Beigabe macht man wohl vor allem dann, wenn das Tier nicht aus diesem Stresszustand rauskommt. Also eigentlich sind alle Stressoren weg, aber Nerven- und Immunsystem reagieren aufgrund einer erhöhten Reizempfindlichkeit immer noch. Hier soll PEA dann bei der Regulierung helfen.

Oder zusammengefasst: Sachen, die Entzündungen hemmen und Schmerzen reduzieren, körperlichen Stress abbauen und speziell im Knochengerüst wirken.

Das Ergebnis

Das morgendliche Ritual

Mittlerweile geben wir Balu die Mixtur schon ein paar Monate (die Diagnose war im Februar) und es geht ihm gut. Die Arthrose ist logischerweise nicht weg und hier und da sieht man, dass er Schwierigkeiten hat. Da trippelt er so ein bisschen rum, bevor er auf die Fensterbank springt. Aber Beeinträchtigungen oder gar Schmerzen können wir nicht feststellen. Im Gegenteil geht es ihm scheinbar mittlerweile manchmal sogar zu gut. Beispielsweise ist er vor kurzem mal unseren Kratzbaum nach ganz oben geklettert. Wie oft er das in den bald zehn Jahren bei uns schon gemacht hat, kann man an einer Hand abzählen. Balu ist schon immer eher eine Bodenkatze. Vermutlich hätte für ihn auch ein einfacher Zaun gereicht, um zu verhindern, dass er das Grundstück verlässt.

Wer jetzt meckert, dass wir ohne Sinn und Verstand einfach NEMs auf unsere Katze schmeißen würden: Ich hatte den Cocktail nach 2-3 Wochen mal weggelassen. So von wegen “ihm geht’s jetzt ja besser, also braucht er das doch bestimmt nicht mehr”. Das Ergebnis war, dass er am nächsten Tag nur noch im Schneckentempo herumlief, nichts mehr fraß und sich unter unseren Rosmarin legte. Und wenn der Balu sich unter den Rosmarin legt, dann geht es ihm echt beschissen. Noch so eine Erkenntnis aus dem letzten Jahrzehnt. Also wieder ab zum Tierarzt (wegen dem nicht fressen), erneut eine Metacam-Therapie, und anschließend die NEMs wieder ins Futter gemischt. Insofern mag das vielleicht nur ein klinisch unbewiesener anekdotischer Einzelfall sein. Aber solange es unserem großen Tiger gut geht, ist mir das doch völlig egal! *hmpf*

Den Cocktail bekommt er immer morgens. Da unter anderem Jules seine Blutdrucktablette braucht, haben wir schon lange ein Ritual mit unseren fünf etabliert. Es gibt quasi einen Aperitif bevor ich die All-you-can-Eat-Platte hinstelle. Und diese Vorspeise enthält dann ggf. halt den Zusatz, den die jeweilige Katze haben soll. Je nach Tagesform benötigt es zugebenermaßen auch mal Unterstützung durch z.B. eine Prise Bierhefe, bevor sie an ihrem Schälchen andocken und futtern. Funktioniert grundsätzlich ganz gut und wird zukünftig neue Katzen im Haus sicherlich erstmal verwirren. Das Vorgehen macht freilich Arbeit bei uns mit dem täglichen Schälchen richten. Aber falls doch mal jemand von den anderen Katzen was an Medikamenten bräuchte, kennen sie das Vorgehen bereits und sind vermutlich nicht von Haus aus skeptisch.

Die bisherigen Ausgaben

Vergangene Woche ist, mit ziemlicher Verspätung, die mittlerweile sechste Ausgabe des britischen Spielemagazins [lock-on] bei mir gelandet. Macht euch nicht die Mühe den Link zu klicken. Das Ding war schon ausverkauft, bevor es überhaupt erschienen ist. Der Verlag, Lost in Cult, hatte eine (äußerst erfolgreiche) Vorbestellkampagne abgehalten. Außerdem ist der Informationsgehalt der Produktbeschreibung übersichtlich. Eine Sache, die mich massiv an dieser Webseite stört. Hinter den meisten Produktseiten erwarten euch nur ein paar Hochglanzfotos und generische Informationen, aber was man tatsächlich inhaltlich bekommt? Keinen Schimmer. Deswegen bin ich auch sehr zurückhaltend speziell Werke aus ihrer “Design Works”-Reihe zu erstehen. £50 ausgeben und dann möglicherweise nur ein Bilderbuch in der Hand zu halten? Darauf habsch kein Bock! Mal wieder ein klarer Fall von “Style over Substance”. Das war damals bei den Kickstartern besser. Und nein, die Pressemitteilung/Newsletter geben ebenfalls nicht sonderlich mehr Informationen her. Man kauft aus meiner Sicht von denen faktisch blind. Das ist echt bescheuert vor allem, weil zumindest das Spielemagazin schon was ziemlich Geniales und Hochwertiges ist.

Wobei der Begriff “Spielemagazin” mittlerweile gar nicht mehr passt. [lock-on] 006 ist ein absolutes Monstrum mit satten 560 Seiten in einem – zumindest bei mir – Hardcovereinband und Großformat (245x200mm). Das liest man nicht mehr liegend im Bett oder auf dem Klo. Zum Vergleich: Die erste Ausgabe umfasste “nur” rund 150 Seiten. Sieht man auch ganz gut auf dem Foto rechts wie sie immer dicker werden. Hängt übrigens damit zusammen, dass sie über die Zeit einen immer höheren Bekanntheitsgrad erreicht haben. Ausgabe 1 wurde bereits 2021 finanziert. Seitdem sammeln sie immer mehr Geld im Vorfeld ein. Dadurch können sie entsprechend mehr ins Werk investieren. Ob Ausgabe 8 dann die 1.000 Seiten knackt?

Die Aufmachung

(Cover)

Das Erste, was einem bei der 6. Ausgabe (und den vorherigen) ins Auge springt, ist das wunderschöne Cover. Eine Zeichnung von Yoshitaka Amano. Er der Figuren-Designer der ersten sechs (plus Nr. 11) Final Fantasy-Titel. Die Zeichnung ist passend zur Titelgeschichte, in der es vor allem um die Anfänge der Serie geht. Sie zeigt eine der Kriegerinnen des Lichts. Auch im Buch selbst gibt es zahlreiche, großformatige Illustrationen und Konzeptzeichnungen, welche Textwände auflockern und lebendiger machen. Nicht alle davon sind unbedingt mein Ding, aber ich sie passen definitiv zum Inhalt. Das kann ich nicht bestreiten :smile: . Klassische Screenshots sucht ihr hier jedoch vergeblich. Habe ich bislang aber noch in keiner Ausgabe vermisst.

Bild und Text sind auf vollfarbige Seiten aus 130g schwerem, seidenmattem Papier gedruckt. Das fühlt sich nicht nur sehr hochwertig an, es sieht auch so aus. Bei einem Preis von £50 für die Hardcovervariante darf man das allerdings erwarten. Interessant ist außerdem, dass sich die Artikel bei der Darstellung des Textes mitunter stark unterscheiden. Also thematisch zusammengehörige Sachen wie z.B. die zu Final Fantasy bleiben meist in sich gleich. Aber sobald das Thema geändert wird, wechselt ebenfalls die Schriftart und das Arrangement. Um bei Final Fantasy zu bleiben: Die eigentlichen Essays (gibt außerdem Interviews) haben ein zweispaltiges Layout mit wenig Firlefanz und in einer leicht mittelalterlich angehauchten Schriftart. Es wirkt quasi ein wenig wie ein altes Buch zu lesen.

Der Artikel Jewel of the Chozo über Metroid Prime kommt hingegen dreispaltig in einer eher klassischen, modernen Schrift und hat Illustrationen im und um den Text herum. In diesem Artikel geht es um die designerischen und technischen Herausforderungen bei der Entwicklung des Spiels. Die Designer bei Lost in Cult haben quasi nicht einfach nur den Text auf die Seiten gepackt und dann Möglichkeiten gesucht die Seiten zu füllen. Text und Design bilden stattdessen eine Einheit. Das Drumherum soll euch quasi in die richtige Stimmung bringen für den Inhalt. Und ja, das funktioniert tatsächlich die meiste Zeit ganz gut. Auch, weil es wirklich dezent ist im Gegensatz zum Beispiel zu den Werken von Read-Only Memory (hier mein Bericht zu 500 Years Later: An Oral History of Final Fantasy VII). Zur Erinnerung: Die machen gerne so Sachen wie seitenweise übergroßen Text für Leute mit Sehschwäche oder fast unlesbare Farbkombinationen (rote Schrift auf magenta-farbenen Seiten) und weitere Sünden am Leser.

Leserlich? Nein.

Ich muss allerdings zugeben, dass sich in [lock-on] 006 leider ebenfalls ein ähnlicher Fauxpas eingeschlichen hat. Und zwar der ansonsten sehr interessante Artikel zu Siren, ein japanisches Survival-Horrorspiel aus dem Jahr 2003 für die PlayStation 2. Hier wurde kleine, schwarze Schrift mit einem roten Hintergrund kombiniert bzw. noch schlimmer: Mit einem roten Hintergrund in Filmkornoptik. Lesbarkeit? Nahe null – und ich hab‘ angeblich noch gute Augen!

Der Inhalt

68 Essays und Interviews erwarten euch auf den zahlreichen Seiten. Die größten Blöcke, passenderweise am Anfang und am Ende des Buches platziert, bilden die Final Fantasy-Serie und The Legend of Zelda-Reihe. Beide umfassen jeweils rund 100 Seiten und decken dabei – wie auch die restlichen Texte – eine große Bandbreite von Themen in den unterschiedlichsten Schreibstilen und aus verschiedensten Sichtweisen ab.

Um beispielhaft bei Final Fantasy zu bleiben: Es gibt zuerst jeweils ein Interview mit Serienerfinder Hironobu Sakaguchi, Komponist Nobuo Uematsu sowie dem bereits erwähnten Künstler Yoshitaka Amano. Im darauffolgenden Text, The Mystic Key to a Genre, erklärt Autor Chris de Hoog in welchem Umfeld Final Fantasy entstanden ist und welche Auswirkungen auf die Spielelandschaft es nach seinem Release 1987 hatte. Darauf aufbauend und irgendwie doch nicht, analysiert anschließend Darryl James in The Legacy of Flynn was der Erfolg des ersten Teils für die Entwicklung des Zweiten bedeutete. Und so geht es durch die gesamte Serie weiter. In The Indifference of Pleasure geht es um die Vielzahl an Klimaanlagen in Final Fantasy VII Remake und ihre Bedeutung im Vergleich zur Optik der Straßen von Midgar im Original. Mit Life and Death nimmt Autor Dansg08 den Leser auf eine analytische Reise der Geschichte von Final Fantasy X. Lucy James erzählt hingegen in An Airship of My Own wie und warum Final Fantasy XII für sie ein so spezielles Erlebnis war. Also nicht einfach nur “ich war 16 und es ging mir so schlecht und das Spiel hat mir die Erleuchtung gebracht”, sondern eben wie die Geschichte, die Charaktere, das Setting und so auf sie wirkten. Und bei Final Fantasy XV geht Aidan Moher unter dem Titel Non-Toxic Masculinity auf die erfrischend andere Art der Darstellung von Männlichkeit im Spiel ein.

Niveauvolles Lesen

Interview mit Matthew Mercer (Ganondorf, Tears of the Kingdom)

Wie gesagt: In einem [lock-on]-Magazin erwartet den Leser ein wirkliches buntes Potpourri an Sichtweisen, Informationen und Denkanstößen. Das kann ein simpler Text über die Entwicklungsgeschichte oder die Herausforderungen im Design des Spiels sein. Aber eben auch Artikel zur Einordnung eines Titels in seine Zeit oder ein tiefgreifenderes und sprachlich anspruchsvolleres Essay über Einflüsse, Bedeutung, Symbolik und sowas. Das ist in der 6. Ausgabe nicht anders als es in der allerersten war und hebt für mich das Magazin zusammen mit der hübscheren Aufmachung – von anderen auf dem Markt ab.

Am ehesten passt noch der Vergleich zu A Profound Waste of Time, ein weiteres britisches Spielemagazin das sich über Crowdfunding finanziert. Der große Unterschied ist allerdings, dass APWOT (so die Abkürzung) mehr den Fokus auf hochwertige Interviews und tiefere Einblicke in die Entstehungsprozesse legt. [lock-on] ist da aus meiner Sicht ein wenig oberflächlicher unterwegs und betrachtet häufiger das Medium als Kunst und interpretiert, analysiert und ordnet ein. Deswegen kaufe ich auch beide, weil sie in dem Sinne keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung sind. Aber auf APWOT gehe ich dann genauer ein, wenn Ausgabe 5 hoffentlich demnächst in meinem Briefkasten landet :smile: . Und nein, auf dem deutschen Markt kenne ich einfach nichts qualitativ Vergleichbares. Den dazugehörigen Rant über die selbsternannte deutsche Blogger-Elite (heute eher Podcaster) habe ich an dieser Stelle wieder gelöscht. Bringt ja nix und habe ich in der Vergangenheit schon oft genug…

Beim Christoph meint: Ich hab die 6. Ausgabe von [lock-on] zwar noch nicht komplett gelesen (560 Seiten sind schon eine Menge Holz). Aber was ich bislang gelesen habe, war wieder gut bis sehr gut. Nicht unbedingt alles ist dabei super interessant für mich. Das ist ja in jedem Magazin so. Dennoch: Bei der 7. Ausgabe, wenn es soweit ist, werde ich erneut ohne Überlegung zuschlagen. Das Gesamtpaket stimmt einfach und es trifft meinen aktuellen Geschmack. “Normale” Spielemagazine lese ich ja mittlerweile schon seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr – auch online nicht. Aber ganz raus aus dem Thema “Spieleindustrie” bin ich halt doch nicht. Stattdessen sind es eben die Hintergrundinfos und die andersartigen Gedanken, die mich mehr reizen. Da passt [lock-on] für mich perfekt.

Obs allerdings auch was für euch ist? Nun, da wäre eine Leseprobe praktisch, die es aber meines Wissens nicht gibt. Ich würde sagen, dass sie echt noch an ihrer Webseite arbeiten müssten aber offensichtlich sind sie erfolgreich mit dem, wie sie unterwegs sind. Also was weiß ich schon? :smile: .

Was passiert, wenn wir sterben? Eine Frage, die wir uns vermutlich stellen, seit wir denken können. Selbst Wissenschaftler sind davon fasziniert. Aber eine Antwort darauf wurde (bislang) nicht gefunden. Das hält freilich keinen davon ab darüber zu spekulieren. Unzählige Künstler, Autoren, Filmemacher, etc. haben sich bereits damit beschäftigt und die verschiedensten Werke und Interpretationen auf Basis dieses Gedankens produziert.

Lysanda und ich haben vor Kurzem dahingehend einen Anime von Yuzuru Tachikawa angeschaut. Dieser beantwortet die Frage was schlussendlich passiert zwar relativ einfach: Entweder man wird wiedergeboren oder muss in der ewigen Leere vor sich hinsiechen. Doch bei der Entscheidung, wo man landet, werden die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele hervorgekehrt.

(Cover)

Death Parade* (2015; 12 Episoden, DV) – Die Prämisse klingt äußerst simpel: Wer stirbt und sich dessen (noch) nicht bewusst ist, landet in einer Art Zwischenwelt. Dort erwartet euch ein Schiedsrichter, der am Ende entscheidet was mit eurer Seele passiert. Doch statt euer vergangenes Leben zu beurteilen, lässt er euch in einem Spiel gegen eine andere kürzlich verstorbene Person antreten. Die Schiedsrichter bekommen nämlich nur eine kleine Zusammenfassung eurer Erinnerungen. Das Spiel dient dazu euch an eure Grenzen zu bringen und so eure wahre Natur zu zeigen. Wer jetzt allerdings an sowas kompliziertes wie Squid Game denkt, der liegt falsch. Stattdessen stehen “normale” Unterhaltung wie Darts, Air Hockey, Bowling oder ein Arcadespiel auf dem Programm. Wir befinden uns schließlich in einer (noblen) Bar.

Okay, ganz ohne Twist geht die Sache natürlich nicht vonstatten. Beim Dart werft ihr auf die Körperteile eures Gegners, beim Bowling ist das Herz des anderen im Ball eingeschlossen und die Combos im Arcadespiel greifen auf euer Leben zurück. Eben Sachen, die euch triggern, Angst einjagen und schlicht und einfach mental fertig machen sollen.

Die Protagonisten

Dieses Reich der Toten wird Totem genannt und ist aufgeteilt in Stockwerke. Auf jeder Ebene existiert ein anderer Ort und damit ein anderer Schiedsrichter, der dort auf seine Gäste wartet. In der Serie verfolgen wir hauptsächlich die Geschehnisse auf der 15. Ebene: Dem Quindecim. Dort verrichtet Decim seine Arbeit. Eine menschlich aussehendes Wesen, das nie gelebt hat und entsprechend auch nie gestorben ist. Wie ein emotionsloser Butler begrüßt er seine Gäste hinter der Bar und führt sie durch die Ereignisse. An seiner Seite ist eine schwarzhaarige Frau namens Chiyuki. Kleiner Spoiler: Sie ist eigentlich eine von Decims Kund*innen. Sie wusste jedoch, dass sie tot war und ließ sich deshalb nicht auf das Spiel ein. Eine ungewöhnliche Situation im Totem. Als Zwischenlösung wurden ihre Erinnerungen gelöscht und sie darf Decim assistieren, bis dieser seine Entscheidung treffen kann, wie es mit ihr weitergeht. Und ja, der Anime ist abgeschlossen. Wir erfahren also tatsächlich am Ende der 12. Episode was passiert. Allerdings ist auch Decim dann nicht mehr ganz der Alte, so viel sei verraten.

Death Parade (Madhouse-Promobild)

Es gibt außerdem noch folgende Charaktere, die wir im Lauf der Serie ein wenig kennen lernen:

  • Nona ist sowas wie die oberste Schiedsrichterin im Totem.
  • Über Nona steht Oculus, ein Greis, der von sich sagt “Gott am nächsten” zu sein.
  • Quin, die in der Informationsabteilung für die Schiedsrichter die Erinnerungspakete vorbereitet und vor Decim im 15. Stock arbeitete (deswegen Quindecim).
  • Clavis, der Herr über die Fahrstühle im Totem.
  • Ginti, Schiedsrichter im 20. Stock, der mit Menschen überhaupt nichts anfangen kann.
  • Und Castra, die in der Beurteilungsstelle sitzt und die Toten den jeweiligen Schiedsrichtern zuweist.

Diese Figuren spielen jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Sie helfen die Welt ein wenig auszuweiten, aber der zentrale Fokus liegt ganz klar auf Decim, Chiyuki und ihrer Geschichte. Mit ihnen verbringen wir als Zuschauer die meiste Zeit. Decim, der anfangs in einer fast schon kaltblütigen Effizienz seiner Arbeit nachgeht. Chiyuki, der das Ganze nicht so wirklich geheuer ist und beginnt das Prozedere zu hinterfragen – und damit auch Einfluss auf Decim nimmt.

Dazu selbstverständlich die Gäste, die unterschiedlicher nicht sein könnten und eine große Bandbreite an menschlichem Verhalten offenbaren. Das sind tatsächlich nicht nur tiefschwarze Abgründe, obwohl der Anime ganz klar in die Kategorie “Psychologischer Thriller” gehört. Es gibt auch die ein oder andere etwas lockere Folge – inkl. einer reinen Comedy-Episode in der Mitte. Aber den Reiz machen natürlich die Extremsituationen aus und wie Decim bzw. Chiyuki damit umgehen. Dabei ist erfreulicherweise nicht alles nur schwarz oder weiß. Als Zuschauer denkt man am Anfang vielleicht, dass Person A ganz klar wiedergeboren wird und Person B in die Verdammnis kommt. Doch im Verlauf einer Episode kommen so viele Schichten und Nuancen dazu, dass es eben nicht mehr so eindeutig ist. Und selbst als Decim schlussendlich seine Entscheidung getroffen hat, habe ich mit Lysanda mitunter drüber diskutiert, warum seine Wahl so ausfiel.

Entstehung

Die Serie basiert auf einem Kurzfilm namens Death Billards aus dem Jahr 2013. Er ist quasi die inoffizielle 13. Episode und zeitlich irgendwo zwischen der 5. und 8. Folge angesiedelt. Viele Elemente aus der Serie sind hier bereits enthalten, wenn auch mitunter nicht voll ausgearbeitet. Er wurde vom Studio Madhouse für das japanische Film-Festival Anime Mirai produziert, das Nachwuchstalente im Animebereich fördert. Der Kurzfilm kam dort so gut an, dass sich das Studio ein Jahr später entschied daraus eine komplette Serie zu machen. Leider wurde der Kurzfilm nie synchronisiert. Auf der Blu-ray ist er nur mit deutschen Untertiteln enthalten – aber immerhin!

Death Parade (Madhouse-Promobild)

Als Basis nutzt der Anime 3D-Umgebungen, die aber optisch nicht aus dem Rahmen fallen. Ist ja häufig so, dass die 3D-Effekte in Animes extrem auffallen. Stattdessen haben die Macher es geschafft einen wirklich gelungen, gestochen scharfen 2D-Look zu erschaffen – allerdings dank des 3D-Sets mit dynamischen und durchaus coolen Kamerafahrten. Die Enthüllung des Spiels ist beispielsweise immer ein ziemliches Spektakel im Quindecim :smile: .

Der Soundtrack hingegen ist abseits des poppigen Introsongs eher klassisch, melancholischer Natur – mit einem Schuss Jazz hier und da. Sprich sehr viel Piano, ein paar Streichinstrumente (Gitarre, Geige) und ein insgesamt gemächlicheres Tempo. Hab’ ihn mir auch gleich geholt. Der Introsong sowie der Introfilm passen übrigens aus meiner Sicht überhaupt nicht zur Serie und vermitteln einen völlig falschen Eindruck. Zum einen ist beides viel zu fröhlich. Zum anderen wird eine zu große Betonung auf die Nebencharaktere gelegt, die wie geschrieben in den 12 Folgen nur sehr wenig vorkommen.

Beim Christoph meint: Von mir gibt es volle und kompromisslose 5 von 5 Sics. Lysanda hatte mir Death Parade zum Geburtstag geschenkt und damit definitiv ins Schwarze getroffen. Ich gehe sogar soweit und bezeichne ihn als den bislang besten Anime, den ich gesehen habe.

Es klingt bescheuert es auszusprechen, aber ich finde ihn intellektuell auf mehreren Ebenen anspruchsvoll und fesselnd. Beispielsweise die Kernfrage, der sich auch Decim im Verlauf der Serie stellt, ob das alles wirklich ausreicht, um einen Menschen zu beurteilen. Das ist ein interessanter Konflikt zwischen Decim und Chiyuki, der sie beide an ihre Grenzen führt.

Dann die Reaktionen der Gäste auf diese Ausnahmesituation – quasi die psychologische Komponente mit einer Prise makabrer Neugierde. Dazu passend das gemeinsame Rätseln darüber, wer von ihnen am Ende wo landen wird und die Diskussion auch im realen Leben, ob das wirklich passend war. Dabei hilft die teils fast schon perfide Inszenierung. Kamerawinkel, Szenenauswahl sollen quasi nicht nur Decim in die Irre führen, sondern auch den Zuschauer. Entsprechend fand ich die typischen Anime-Situationen schon fast unpassend, die es trotzdem gibt. Vor allem die Comedy-Episode hat mich eher rausgerissen als noch tiefer in die Welt eintauchen lassen.

Zusammengefasst ist Death Parade definitiv ein Anime, der zum mehrfachen Anschauen einlädt, um noch mehr Feinheiten zu erkennen. Und ich kann ihn nur uneingeschränkt empfehlen. Allerdings ist er auf Deutsch nur schwer zu bekommen. Auf den üblichen Streaming-Diensten scheint er aktuell nicht verfügbar zu sein und auf DVD/Blu-ray ist Teil 1 von 3 quasi gar nicht und die weiteren Teile nur für teuer Geld zu haben. Von der Komplettbox gar nicht erst zu reden.

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