Nun ist es also so weit: nachdem schon einige Personen durch Tauschbörsen, oder das Zurückgreifen auf OEM-Versionen in den vorzeitigen “Genuss” gekommen sind, darf sich nun auch die breite Öffentlichkeit seit dem 22. Oktober ein Bild von Microsofts neuestem Werk machen: die lang erwartete, mit großen Hoffnungen verbundene, finale Version von Windows 7 kam offiziell in die Läden.
Erwähnenswerte Neuerungen
An, für Alltagsnutzern bedeutsame Neuerungen seien allen voran die aufpolierte Optik (gegenüber Windows XP), die neuen Bedienmöglichkeiten (das Skalieren von Fenstern durch Ziehen an die Bildschirmseiten, die neue Taskleiste (superbar) und die Unterstützung von Gestensteuerung, sog. “Multi-Touch”), virtuelle Ordner, die beispielsweise sämtliche, an verschiedenen Stellen gespeicherte Musikdateien an einem Ort verfügbar machen sowie einige Verbesserungen im Netzwerkbereich, durch die es insgesamt einfacher und sicherer ist, Arbeitsgruppen zu bilden und Daten auszutauschen, genannt. Hinzu kommt abschließend noch DirectX 11 sowie das native und effiziente Unterstützen von SSDs.
Für etwas professionellere Anwender gibt es des Weitern noch das Dateienverschlüsselungssystem Bitlocker und den Windows-XP-Kompatibilitätsmodus. Für beide Versionen muss man jedoch auf die teureren Pakete Professional und Ultimate zurückgreifen. Selbstverständlich wirbt Microsoft versionsübergreifend auch mit einer sehr hohen Stabilität, Geschwindigkeit und Kompatibilität.
Ernüchterung
So weit also die Fakten. Und während die Liste an Neuerungen (nicht nur für Laien) durchaus beeindruckend erscheint, so sollte sich bei jedem versierteren Anwender jedoch schnell Ernüchterung breit machen. Denn: betrachtet man sich die vermeintlichen Verbesserungen im Detail, so muss man beinahe zwangsläufig zum Schluss kommen, dass Microsoft unterm Strich nichts bietet, was nicht schon a) Windows XP / Windows Vista und/oder b) etwaige Freeware-Tools konnten und/oder c) den Kaufpreis wirklich rechtfertigt.
So sind die neuen virtuellen Ordner, also die Bibliotheken, in welchen Bilder, Videos und Musikdateien zusammengefasst werden, unabhängig davon, wo sie sich tatsächlich “physisch” befinden, zwar zweifelsfrei eine nette Idee, jedoch bekommt man diese Funktion mittlerweile auch bei jedem halbwegs guten Medienabspielprogramm sowieso mitgeliefert. Winamp sei hier stellvertretend genannt. Da ein gefühlt hoher Anteil von Nutzern nicht auf den MediaPlayer zurückgreift, sondern sich externer Programme bedient, dürfte diese Neuerung zwar also “nett”, aber keinesfalls “nützlich” und “wertvoll” sein. Da hilft es auch nichts, dass der neue MediaPlayer ein paar zusätzliche Formate abspielt.
In dieselbe Kerbe schlägt die neue, erweiterte und “verbesserte” Bedienoberfläche. Es ist selbstverständlich ganz hübsch, wenn man Fenster aufs Vollbild vergrößern kann, indem man sie an den oberen Rand des Bildschirms zieht – wirklich notwendig ist dies aber nicht, da seit jeher ein Doppelklick auf die Titelleiste genügte, um das Fenster zu maximieren. Möglicherweise ist diese “traditionelle” Weise nicht die beeindruckendere, aber sicherlich die effizientere. Etwas sinnvoller ist da schon das Skalieren eines Fensters auf exakt eine Bildschirmhälfte; dies hätte in früheren Windows-Versionen zweifelsohne mehr Zeit gekostet.
Und wenn man schon bei positiven Aspekten ist: längst überfällig ist die Möglichkeit, per Mausklick alle Fenster zu minimieren und auf den Desktop zurückzukehren.
Weniger toll – das beweisen die zunehmenden Beschwerden auf einschlägigen Internetseiten – ist Microsofts Idee, in der Taskleiste nur noch Symbole statt den Titel des jeweiligen Fensters anzuzeigen. Viele Nutzer haben diese Funktion bereits wieder deaktiviert. In meinen Augen altbacken und ebenfalls fragwürdig ist die Tab-Vorschau-Funktion der Taskleiste. Dies kennt man einerseits bei gängigen Browsern schon seit langem und ist andererseits in der Praxis nur selten wertvoll.
Schauen wir uns zwei weitere Neuerungen an: Das native Unterstützen von SSDs sowie die Verbesserungen im Netzwerkbereich. Ersteres ist deswegen höchst fragwürdig, weil es a) eine Selbstverständlichkeit sein sollte, dass ein neues Betriebssystem auch die neueste Hardware unterstützt (was längst nicht der Fall ist, bei Windows 7, siehe weiter unten) und es b) mit wenigen Mausklicks auch in Windows Vista und Windows XP einzurichten ist. Die Vereinfachungen im Netzwerkbereich sind ebenfalls eine Mogelpackung, da diese nur zwischen Besitzern von Windows 7 greifen – sobald ein weiterer Nutzer eine ältere Windows-Version besitzt, bleibt alles beim Alten und damit potentiell Problematischen.
Bleiben DirectX 11, welches es auch für Vista gibt und zudem erst in 12-24 Monaten so richtig unterstützt werden wird, Bitlocker, für den man den Aufpreis in eine höhere Windows 7-Fassung investieren muss und dessen Nutzen für Standardnutzer sowieso verborgen bleibt und letztlich der Windows-XP-Modus, welcher keine Grafikschnittstelle unterstützt und somit für besonders Spieler sinnfrei ist und in der Konsequenz nur Kompatibilitätsprobleme vertuschen soll.
A propos: die angepriesene, verbesserte Stabilität, Kompatibilität und Geschwindigkeit ist ebenfalls nur heiße Luft. Im Vergleich zu den beiden Vorgängern, insbesondere zu Windows XP hat sich unter dem Strich nämlich rein gar nichts verändert. Im Gegenteil: Windows XP ist immer noch kompatibler, schneller und schlanker.
Inkonsequenz
Es sind aber freilich nicht nur die “suboptimalen Neuerungen”, die mich negativ über Windows 7 denken lassen; es sind insbesondere auch die Inkonsequenzen in der Umsetzung durchaus sinnvoller Funktionen. Ich denke hier an den Spieleexplorer, welcher sehr weit hinter seinen Möglichkeiten bleibt, die Leistungsbeurteilung, die nach wie vor sehr fragwürdige Ergebnisse liefert und zudem von der Industrie immer noch weitestgehend ignoriert wird (Stichwort Hardwareangaben auf Packungen), die sehr rudimentären Jugendschutzeinstellungen und allen voran: die Abhängigkeit von Alchemy, wenn man Besitzer eine Creative X-Fi Soundkarte ist und Wert auf EAX-Effekte legt.
Und warum Microsoft per Haus aus keine Unterstützung von USB 3.0 und S-ATA 3.0 mitbringt, bleibt mir auch unverständlich. Aber hey, dafür gibt’s ja ne Gestensteuerung, für die viel zusätzliches Geld in einen Multi-Touch-Monitor investiert werden muss und man als Gegenleistung zehnmal so lange braucht um das zu machen, was man normalerweise mit der Maus anstellt. Nein, Microsoft – so finden wir mit Windows 7 nicht zusammen.
Zusammenfassung
Was bringt “mir” Windows 7 also? Eine hübsche Optik, die Möglichkeit, mehrere Fenster per Knopfdruck zu minimieren und per Geste auf eine Bildschirmhälfte zu skalieren und… Ja, eigentlich war’s das schon. Sämtliche andere Neuerungen sind entweder sinnfrei, inkonsequent umgesetzt oder durch andere Programme längst bekannt. Im Gegenzug müsste ich durch den Umstieg auf Windows 7 meine EAX-Effekte manuell forcieren – umständlich und nervig. Auch ist Windows 7 weder schneller, stabiler und/oder kompatibler. Ehrlich gesagt würde ich dafür weder 35 Euro für die Studentenversion ausgeben noch 80 Euro für die OEM-Version und schon gar nicht 130 Euro für die retail-Version. Im Prinzip nicht mal einen einzigen Euro.
Windows 7 ist alleine betrachtet sicherlich kein schlechtes Betriebssystem. Vermutlich sogar ein recht gutes. Aber weder für Windows XP-, noch für Windows Vista-Nutzer bietet es in meinen Augen genug Neuigkeiten und Verbesserungen um einen Wechsel zu rechtfertigen. Im Gegenteil: Insbesondere Spielernaturen sind nach wie vor mit Windows XP am besten bedient. Punkt. Aus. Fertig.