Electronic Arts ist wohl der am interessanten zu beobachtende Publisher in der Branche. Das liegt vor allem daran, dass sie nach Activision (1979) der älteste noch existierende reine Spielepublisher sind (Nintendo ist erst einmal vor allem ein Hardwarehersteller) und somit eine extrem lange Geschichte mit vielen mehr oder weniger starken Höhen und Tiefen aufweisen können. Sie sind aber auch der Publisher mit dem größten (High-Profile-)Output in jedem Jahr.
Wenig verwunderlich bei über 30 Studios unter ihren Fittichen (Anfang 2013 waren es noch fast 40!), quasi einer Exklusiv-Lizenz für Sportspiele und sehr vielen seit teilweise Jahrzehnten erfolgreichen Marken (die größtenteils im Keller verstauben). Entsprechend stark stehen sie stark im Rampenlicht und werden nicht nur von den Aktionären gefühlt genauer beobachtet als die Konkurrenz. Klar: Bei Activision schwankt auch der Aktien-Kurs basierend auf dem Erfolg von Call of Duty. Aber das ist zum einen jedes Jahr nur einmal relevant und zum anderen gibt es ja noch die Cash-Cow namens Blizzard, die auf jeden Fall immer für extrem gute Unternehmenszahlen sorgt. Bei Spielern ist das Konglomerat Activision-Blizzard aber aufgrund der vergleichsweise überschaubaren Zahl an Veröffentlichungen eben anders als EA nicht groß im Blick oder könnt ihr auswendig einen Activision-Titel aus 2013 nennen, der nicht Call of Duty: Ghosts heißt? Eben.
Der Anfang
Gegründet wurde der Publisher vor 32 Jahren mit durchaus noblen Zielen. Natürlich wollte auch Gründer Trip Hawkins haufenweise Kohle scheffeln und den amerikanischen Traum leben. Aber nicht nur gehörte EA zu den ersten, die explizit die Entwickler der Spiele in den Vordergrund stellten (das war bei ATARI bekanntlich verpönt, weshalb wir in Adventure das erste Easter Egg der Geschichte bekamen) und sie anteilig am Profit ihrer Spiele teilhaben ließ. Hawkins Ansatz war es auch direkt an euch, die Spieler, die Produkte zu verkaufen und die bisherigen Mittelsmänner zu umgehen. Außerdem war er wohl mit der erste, der im großen Stil nicht nur im eigenen Haus entwickeln ließ, sondern auch gezielt auswärtige Studios beauftragte und am Ende sogar aufkaufte.
Das Konzept zog extrem viel Erfolg nach sich, wie wir ja schon im ersten Absatz festgestellt haben. Selbst der berühmte Videospielecrash von 1983 behinderte nicht großartig den Aufstieg. Und mir ist auch nicht bekannt, dass EA bis Ende der 90iger großartig negativ in den Schlagzeilen aufgetaucht wäre. Zugegeben: Das lag sicherlich auch erst einmal an der Berichterstattung vergangener Tage. In einer PowerPlay oder PC Player wurde damals noch nicht so wirklich viel über die Geschäftsseite der Medaille berichtet. Der Weg in die Tiefe begann erst so richtig im Jahr 1999. Erst mit dem grottenschlechten Lands of Lore 3 (zu wenig Entwicklungszeit) im März und, der noch viel größere Aufschrei, Command & Conquer: Tiberian Sun im August. Ihr erinnert euch bestimmt unter anderem noch die Sache mit den Bullshots, die überhaupt nicht mit dem tatsächlichen Spiel übereinstimmten. Wenn nicht, dann habt ihr wohl meinen extrem ausführlichen Artikel über das Kult-Entwicklerstudio Westwood noch nie gelesen. Wird’s mal Zeit das nachzuholen, würde ich sagen auch wenn ich den Text heute etwas anders schreiben würde .
Schließungen en masse
Wo waren wir? Ach genau beim Abstieg ins Tal. Anfang des neuen Jahrtausends ging es dann drunter und drüber bei EA. EA Baltimore, 1996 gegründet als Tochter von Origin Systems, wird im Jahr 2000 geschlossen. Bullfrog Productions, 1995 gekauft, folgt ein Jahr später zusammen mit Kesmai (1999 eingekauft). EA Seattle, 1996 gekauft und 2002 geschlossen. Westwood Studios und Westwood Pacific (EA Pacific nach dem Aufkauf), 1998 erstanden, 2003 geschlossen. Maxis’ eigene Entwicklerstudios wurden 2004 geschlossen (und in Visceral Games integriert) im gleichen Jahr wie Origin Systems. 2006 folgte DICE Canada wenige Stunden nach dem Aufkauf der Mutter DICE während 2008 EA Chicago und Pandemic Studios den Kostenkürzungen zum Opfer fielen und noch so viele mehr seitdem. Was ich damit sagen will: EA hat sich zwischen 2000 und 2010 absolut keine Freunde damit gemacht, dass sie extrem viele vor allem langjährige und bei den Spielern geliebte Entwickler vor die Tür gesetzt haben auch wenn in der Realität viele von ihnen bei anderen EA-Studios unterkamen.
Der Vorwurf von Seiten der Entwickler damals: EA hätte die ganzen Studios nur wegen ihrer IPs gekauft. Angesichts der Tatsache, dass nur wenige Marken aus den genannten Studios bis heute wiederbelebt wurden, ist die Anschuldigung sicherlich nicht ganz falsch aber natürlich erst einmal nur eine Seite der Medaille. Die Spieler sahen hingegen ein anderes Bild: Die Qualität der Spiele nahm und nimmt auch wieder gewaltig ab. Battlefield 4 und SimCity sind da noch die sichtbarsten Beispiele des letzten Jahres. Aber auch wenn man sich die Metacritic-Wertungen anschaut ist EA immer noch weit von den Glanzzeiten der 90iger entfernt. Dazu kam das gesamte DRM-Thema welches mit Spore anno 2008 erstmals so richtig auf den Tisch kam (limitierte Anzahl an Internetaktivierungen) und quasi bis zum Ende des Onlinepass im letzten Jahr aktuell blieb sowie die gefühlt sehr vielen Fehltritte in Sachen Marketing und PR. Denkt an das Sündenpaket bei Dante’s Inferno, die echte Axt bei Medal of Honor oder die “Mutterhass”-Kampagne bei Dead Space 2.
Der aktuelle Stand #1
Obwohl also weiterhin massig Kohle in die Kasse fließt, was aber vermutlich vor allem den EA Sports-Titeln geschuldet ist, liegt bei EA definitiv so einiges im Argen. Und damit kommen wir zum eigentlichen Stein des Anstoßes für den heutigen Eintrag: Kotakus Interview mit CEO Andrea Wilson in dem er von EAs aktueller Ausrichtung spricht. Ein ganz großes Thema ist beispielsweise, wie wir es unter anderem schon bei Mass Effect 3 gesehen hatten, dass die Spieler mehr in die Entwicklung eingebunden werden sollen. Also frühzeitig Feedback zu beplanten Features einholen und dann gegebenenfalls nacharbeiten.
Klingt auf dem Papier natürlich erst einmal super. Aber ich bin bekanntlich kein Fan von “Designed by Commitee”-Titeln. Dabei kommt selten was Anständiges heraus (X3: Reunion anyone?). Stattdessen sehe ich immer wieder, wie die Designer vor Kritik einer Minderheit einknicken und ihre Vision der Masse anpassen. Beispiele sind der bei Mass Effect 2 bemängelte gekürzte “klassische” RPG-Anteil (zumindest das, was Vollidioten wie RPGCodex als “Rollenspielelemente” bezeichnen), der dann im dritten Teil eher halbherzig wieder vergrößert wurde. Oder die Sache mit Dragon Age 2 und den Beteuerungen nach dem Backlash in Dragon Age: Inquisition sich wieder mehr an Teil 1 zu orientieren. Als wäre Teil 2 ein grottenschlechtes Spiel gewesen welches niemals hätte veröffentlich hätte werden dürfen. Sowas hasse ich. Stehe zu deiner Arbeit im Guten wie im Schlechten oder lass es einfach bleiben.
Der aktuelle Stand #2
Aber ich schweife ab. Hinter diesem Hintergrund eben die Spieler früher mit einzubeziehen, möchte EA euch früher davon erzählen, dass sie am jeweiligen Titel arbeiten. Deswegen gab es bei der Pressekonferenz auf der E3 so viele Konzepttrailer. Aber auch die Ausweitung des Beta-Programms liegt stark im Fokus. Also die Möglichkeit für euch die Titel noch früher anzutesten — und für schlecht zu befinden. Ernsthaft: Battlefield: Hardline ist einfach nur Mist. Gleichzeitig soll als Konsequenz des Bugdesasterjahrs 2013 wieder mehr Fokus auf Quality Assurance liegen (warum der überhaupt reduziert wurde ist ein anderes Thema) zusammen mit dem Willen auch mal Spiele einfach zu verschieben, wenn sie noch nicht auf dem erwarteten Stand ist.
Eine Sache, die Ubisoft schon vor längerer Zeit erkannt hat. Zwar greifen speziell bei den PC-Umsetzungen die Franzosen trotzdem immer noch hier und da ins Klo (die kurzfristigen Verschiebungen bei Assassin’s Creed-Titeln waren am Ende nur noch als Witz gut). Doch ihr stimmt mir sicher zu, dass Ubisofts Spiele unterm Strich immer in allen Belangen sehr hochwertig gemacht sind. Ja, es nervt natürlich wenn ein The Division nun doch erst 2015 kommt. Aber die Erfahrung in den vergangenen Jahren hat ganz klar gezeigt, dass Ubisofts Mut auch mal ein Jahr dranzuhängen belohnt wurde. Wenn EA also jetzt nicht einfach nur große Worte von sich gibt und tatsächlich auch Taten auf ihre Versprechen folgen lässt, sehe ich durchaus eine rosigere Zukunft auf sie zukommen. Das wird zwar keinen Einfluss auf die EA Sports-Titel haben. Da sind sie wahrscheinlich schon wegen der Lizenz verpflichtet jedes Jahr ein neues Spiel zu bringen. Aber gut. Das Stimmungsbarometer dreht sich auf jeden Fall aktuell wieder mehr in die positive Richtung. Auch, weil das Internet Battlefield 4 und SimCity schon wieder fast vergessen hat. Nur das mit den neuen IPs, das müssen sie noch üben. Da wäre ein Blick nach Paris garantiert auch nicht verkehrt.
Bis Montag!
PS: Nein, ich bin nicht plötzlich zum Ubisoft-Fanboy geworden. Ich habe nur in den letzten Monaten extrem viele Behind-the-Scenes-Artikel (EDGE, Gamasutra, etc.) über sie gelesen und bin ernsthaft beeindruckt von ihrer Arbeitsweise und -kultur. Das ist definitiv kein Konzern, der kurzfristige Einnahmen über langfristiges Wachstum stellt.
*en masse
Ich habe mal eine Frage zu folgender Formulierung, bei der ich davon ausgehe, dass das “nicht” absichtlich dort steht:
“Angesichts der Tatsache, dass nur wenige Marken aus den genannten Studios bis heute wiederbelebt wurden sicherlich nicht falsch.”
– Da fehlt meiner Meinung nach ein aber: aber sicherlich auch nicht ganz richtig. Denn es wird ja aufgeführt, dass nur wenige Marken unter EA wieder verwendet wurden. Oder verstehe ich den Satz komplett falsch, dann bitte ich um Erläuterung.
Was ich mich bei der “Ausweitung des Beta-Programms” immer frage ist, wie und an wen sie die internen Betas ausschreiben. Das Thema, dass das was wir von außen als Beta präsentiert bekommen, lediglich eine Demo ist, bei der wir bei argen Fehlern darauf verwiesen werden, dass es nur eine Beta ist, hatten wir ja schon bzw. wurde in mehreren langen unkommentierten Monologen von mir breit getreten. In das Thema Spiele-Testen hätte ich gerne mal einen tieferen Einblick, sowie in die bekannten Tester-Kreise/-Firmen, auch hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit. Da ich beim Schreiben dieser Zeilen ein extremes Déjà Vu habe, habe ich nicht nur die Befürchtung das schon einmal gefordert zu haben, sondern dass es dieses Thema auch tatsächlich schon gab…
Egal: Beispielsweise Nintendo war ja sehr darauf bedacht, dass gerade die europäischen Versionen nicht nur in der Sprachausgabe tadellos sind. Die Tester saßen damals in Frankfurt. Da jetzt aber bei Nintendo groß eingestampft wird (Verkleinerung des Standorts in FFM, bzw. Aufgabe eines der beiden Gebäude in FFM, und komplette Schließung von Großostheim), bin ich gespannt wie das in Zukunft bei Nintendo werden wird. Die Tester verdienten ja, dafür das dies eine ungelernte Tätigkeit ist umgangssprachlich ein “Schweine-Geld”. Zu Recht, wenn ich bedenke wie wenig Fehler mir ernsthaft in Erinnerung geblieben sind. Allein wie stabil die DS-Titel laufen. Interessant finde ich allerdings, dass die Aufgabe des Standorts in Großostheim mit dem schwachen Nintendo-Absatz erklärt wird, aber jeder hier aus der Region weiß, warum Nintendo hier nur noch auf dem Papier vorhanden ist. Auch das habe ich aber schon in mehreren langen Monologen erklärt.
Und wieder fällt mir direkt ein, warum ich so selten noch kommentiere… ich habe einfach nichts Neues mehr zu erzählen. Vielleicht habe ich doch noch was Neues fern ab vom Thema: Kauft keine Homöopathie-Produkte, die wirken nicht wie gewünscht, der Geldbeutel wird schmaler, die Krankheit bleibt.