Die offizielle Veröffentlichung ist zwar schon wieder fast zwei Wochen her (30. Juni), doch so langsam aber sicher kommt Divinity: Original Sin (völlig verdient natürlich) im Mainstream an – und zeigt dadurch wieder eine Seite des Games-Journalismus, die ich wohl nie nachvollziehen können werde. Ja, natürlich hat der Tag nur 24 Stunden außerdem kann man nicht alles im Blick haben und schon gar nicht immer seine wertvolle Freizeit für den unterbezahlten Job opfern. Aber nicht nur sind die Larian Studios ein nicht gerade unbekannter Entwickler, sie haben auch im Vorfeld eine größere PR-Kampagne durchgeführt als bei allen ihren vorherigen Titeln zusammengenommen und die Community gehört nicht gerade zu den leisesten. Es war auch definitiv einer der prominenteren Kickstarter des vergangenen Jahres.
Trotzdem hat so gut wie kein Chef-Redakteur anscheinend die 25 Dollar locker gemacht, um schon vor Release mal loslegen zu können und so rechtzeitig den Test zu haben. Stattdessen hat es erst niemanden interessiert und die, die es jetzt plötzlich doch interessiert jammern rum, dass Larian ihnen erst am 30. Juni ein Testmuster zur Verfügung gestellt hat. Die würden von mir erst recht keinen Code mehr bekommen. Wobei es mich nicht wundern würde, wenn Swen Vincke, CEO von Larian, das auch tatsächlich so handhabt. Seine Aversion den meisten Spielejournalisten gegenüber ist ja bekannt (ich bin bei ihm glücklicherweise auf der “Good”-Liste ). Was er ab und zu für Geschichten in seinem Blog von seinen Erfahrungen erzählt, da könnte ich grad um mich schlagen. Und nein, bei den ganz großen Namen ist es nicht viel anders. Bei Broken Age haben auch alle auf das Testmuster gewartet und bei Wasteland 2 wird es garantiert wieder so sein. Aber Hauptsache ein unwichtiges Drecksspiel wie GhostControl Inc. wird gefühlt von jedem halbwegs bekannten deutschen Spieleredakteur unterstützt nur weil es von einem deutschen “Indie”-Studio stammt. Dabei wissen sie ganz genau, dass sie dazu garantiert keinen Test veröffentlichen werden.
Relevantes Amerika
Aber die fehlende Reaktionsfähigkeit und Flexibilität bemängele ich nicht nur in Sachen Tests, wobei sie natürlich weiterhin wohl der größte Zugfaktor sind. Der Test zu StarCraft 2 auf GamersGlobal wäre sicherlich nicht einmal halb so erfolgreich gewesen, wären wir nicht weltweit mit die ersten gewesen, die einen gebracht haben – und gleichzeitig garantiert einer der fundiertesten, um mir gleich auch nochmal auf die Schulter zu klopfen . Auch wenn es uns damals keiner glaubte (selbst mit Beweisscreenshots), wir hatten die Kampagne tatsächlich einmal komplett von vorne bis hinten durchgespielt! Äh, wo waren wir? Ach genau:
Mich nervt es auch immer wieder bei den News mit ansehen zu müssen, wie unflexibel selbst userunterstützte Redaktionen sind. Wir leben nun einmal in einer Welt in der die Spielebranche nachtaktiv ist weil sich fast alles in Übersee abspielt. Trotzdem stapft der geneigte Redakteur erst um 9 Uhr ins Büro, macht sich erst einmal einen Kaffee und fängt dann so um 10 Uhr langsam mal an zu schauen was denn so passiert ist und bringt um 12 Uhr dann mal die falsch abgeschriebene Nachricht während um ihn herum bereits alle Welt von den neusten Neuigkeiten erfahren hat. Da braucht sich keiner wundern, wenn es den Magazinen so schlecht geht. Twitter hat diese Sache sogar noch massiv verschärft. Weil viele User nun sogar direkt den Entwicklern folgen und die bombastische Ankündigung noch früher erfahren als selbst ein amerikanisches Medium wie Kotaku seine News veröffentlichen kann (die erfahren es ja auch erst über Twitter).
In der heutigen Zeit führt deshalb meiner Meinung nach kein Weg mehr an einer Nacht- und Wochenendschicht vorbei, um auf dem Gaming-News noch mit den alten Formaten bestehen zu können. Natürlich kostet das mehr Geld und auch die Bereitschaft wird gerade wegen Hungerlöhne bei den Redakteuren nicht gerade groß sein auch noch solche Sperenzien mitzumachen. Aber der deutsche Spielejournalismus wird nie aus seinem Loch rauskommen solange er sich weiter nur darauf konzentriert einfach Sachen von Übersee abzuschreiben, weil sie zum einen nicht die Möglichkeit haben selbst nach zu recherchieren beziehungsweise die News exklusiv beizuschaffen – sind ja alle schon im Bett und die deutschen Niederlassung der Publisher sind überhaupt keine Hilfe, weil die selbst oft nicht wissen was ihre Mutter macht – und zum anderen weil sie sowieso schon viel zu spät dran sind und zusätzlicher Einsatz keinen großartigen Mehrwert mehr hätte. Man ist ja sowieso schon quasi der letzte auf der Welt, der davon berichtet. Es wird halt pro forma noch gemacht, um zumindest den Anschein zu erwecken relevant zu sein.
Punkt Nr. 3
Zur Sache mit der Reaktionsfähigkeit gehört auch das, meiner Meinung nach noch viel wichtigere Thema “Reaktion auf die News”. Klar können Games-Magazine nicht unbedingt Inhalte auf Vorrat produzieren wie beispielsweise Porträts, die im Todesfall auf Knopfdruck veröffentlicht werden (der Bedarf ist zum Glück auch nicht so groß). Aber wenn aus dem Nichts ein Knaller kommt wie “DOOM nicht mehr indiziert” oder “Syndicate enthüllt” mit der absolut niemand gerechnet hat, dann sollte man das Momentum auch nutzen und schnellstmöglich etwas produzieren. Mein unkommentiertes First15 zu DOOM mag jetzt nichts qualitativ Hochwertiges gewesen sein aber es passte perfekt zur Diskussion und war zügig online. Oder mein Porträt der Arkane Studios. Dishonored: Die Maske des Zorns war (übertrieben gesagt) noch nicht richtig angekündigt BÄM hatte ich den Artikel draußen, der auch gut ankam.
Die User kommen dann zwar wegen der News auf die Seite, klicken aber nicht gleich wieder weg, sondern werden zum Bleiben animiert. Oder anders gesagt: Die Nachricht hat am Ende des Tages zwar jeder. Aber die zusätzlichen Inhalte, die daraufhin entstehen können eben nicht. Auch hier gilt wieder, dass man dafür selbstverständlich die Leute braucht, die bereit sind diese Flexibilität zu bieten und die gibt es nur, wenn man sie anständig bezahlt. Womit wir wieder beim Grundproblem sind. Solange sich in der Journalismusbranche in der Hinsicht nichts tut (inklusive einem Umdenken bei den Usern, die sich zu oft mit schlechtem Kram zufriedengeben), sehe ich absolut schwarz. Die selbsternannte Blogger-Elite Deutschlands, die sich in ihren Ego-Texten nur den ganzen Tag selbst auf die Schulter klopft wie toll und besser als alle anderen sie doch ist, ist da auch keine große Hilfe. Stattdessen sehe ich immer stärker die Firmen selbst die Sache in die Hand nehmen. Twitter, Facebook, eigene Messen inklusive Livestreams sei Dank schwebt der Marketing-Manager heute auf Wolke 7. Ich muss euch aber hoffentlich nicht sagen, welche Gefahr sich dahinter verbirgt, wenn allein der Hersteller euch über sein Produkt informiert.
Bis Montag!