Sicarius

Stehplatzverteidigung im Moshpit

Vampire Survivors (Herstellerbild)

Vor ein paar Wochen hat die Indie-Sensation Vampire Survivors den Steam Early Access-Status hinter sich gelassen. Der Survival-Bullet-Hell-Mix hat von Anfang die Massen begeistert. Neben seinen spielerischen Qualitäten hat dazu vermutlich beigetragen, dass er anfangs für nur 2,39€ zu haben war. Wie so oft hat sein Erfolg aber (leider) auch gefühlte Millionen von Nachahmern inspiriert, die gerade den Steam Store fluten – und mit den ebenfalls Millionen Survival-Horror-Early-Access-Titel konkurrieren, deren Flut seit Monaten nicht abreißen möchte.

Ja, es hat definitiv auch seine Nachteile, dass Spieleentwicklung in der heutigen Zeit so einfach und zugänglich ist und Steam faktisch überhaupt keine Qualitätsansprüche stellt. Der Ramschgedanke, den wir bislang nur aus den Smartphone-Shops kannten, ist schon seit einiger Zeit ebenfalls auf dem PC angekommen. Andererseits: Die Nutzer haben offensichtlich ebenfalls keine Ansprüche. Viele dieser Survival-Horror- und/oder Escape-Room-Spiele haben einen Koop-Modus, weshalb ich sie verstärkt im Blick habe und dabei zeigt sich sehr stark, dass die Entwickler einfach nur den schnellen Cash-Grab wollen. “Early Access“ wird nur als Ausrede genutzt, um den Minimalstumfang zu rechtfertigen und 90% der Titel werden unter Garantie nie den finalen Release erreichen – geschweige denn überhaupt auch nur jemals ein Update bekommen. Und trotzdem haben sie häufig viele positive Bewertungen, weil die Kunden ebenfalls eine absolute Wegwerf-Mentalität haben. Jeden Tag was Neues. Egal ob es scheiße ist. Hauptsache irgendwas anders (im selben Genre) womit sie eine Stunde mit ihren Freunden totschlagen können. Und so lang sie dabei zumindest etwas Spaß hatten, gibt es gleich den “Daumen hoch”.

Künstlerisch wertvoll

UBERMOSH (Herstellerbild)

Aber ich wollte nicht über den Schund schreiben, der jeden Tag auf Steam (und allen anderen digitalen Marktplätzen) veröffentlicht wird. Es ist wie es ist und ich kann es nicht ändern. Und Vampire Survivors habe ich ebenfalls bis heute nicht selbst gespielt (Rondrer ist in diesem Fall unser Genreexperte). Dafür aber eine Reihe von Titeln aus den Jahren 2015-2019, die ich als eine Art “Prototyp“ für poncles Hit sehe: UBERMOSH von Walter Machado. Ein Spieleentwickler, der einen etwas… anderen Blick auf die Welt zu haben scheint. Seine Titel sind unabhängig des Genres allesamt spielerisch minimalistisch und optisch teilweise so weit vom Mainstream entfernt, dass sie in einer Kunstgalerie nicht auffallen würden. Außerdem sind sie preislich ebenfalls im unteren Segment angesiedelt (alle für jeweils 0,39€ gekauft; Normalpreis 3,99€) und alle irgendwie süchtig machend.

Aber heute geht es wie erwähnt nur um die Top-Down-Shooter-Reihe UBERMOSH bestehend aus den derzeit acht Titeln:

Ein interessantes Namensschema, das er da gewählt. Alle Titel haben gemein, dass ihr einen sogenannten “Saint“ spielt, der in einer Arena kämpft – dem UBERMOSH (vermutlich von “Moshpit“). Theoretisch ist eine kleine Hintergrundgeschichte vorhanden, die über die acht Teile hinweg fortgesetzt wird und in der es irgendwie um Erleuchtung geht. Aber es ist faktisch nur ein (aufgrund der lauten und harten Musik nur schwer verständlicher) Satz, den der Stadionsprecher am Anfang der Runde sagt. Entsprechend kann ich euch abseits von “euer Charakter wird von Spiel zu Spiel stärker“ nicht viel erklären. Dieses stärker werden spiegelt sich übrigens auch in den Achievements wieder. Braucht ihr in UBERMOSH nur 200 Kills, sind es in UBERMOSH:BLACK schon 300 und in UBERMOSH Vol. 3 400 usw.

UBERMOSH:BLACK (Herstellerbild)

Aber um eine tiefgründige Hintergrundgeschichte geht es nicht (oder sie ist so tiefgründig, dass ich sie nicht verstehe – ebenfalls möglich :smile: ). Wie gesagt: Machados Spiele sind minimalistisch und von der Sorte “Schnell zu spielen, schwer zu meistern“. Reden wir also lieber über das Spielprinzip, das in allen acht Titeln grundsätzlich unverändert ist: Überlebt 90 Sekunde in der Arena und tötet dabei so viele Feinde wie möglich. Während die Arena in den ersten beiden Teilen noch fest vorgeben und begrenzt ist und sogar ein paar einfache Erhöhungen wahlweise als Deckung oder nerviges Hindernis vorhanden sind, wechselt die Serie ab Teil 3 in einen Endlosmodus bestehend aus einem unendlichen Nichts. Nur ihr und eure Feinde. Also egal in welche Richtung ihr lauft, das Spielfeld wird einfach unendlich erweitert. Bevor mit Teil 7 dann wieder eine Begrenzung zurückkehrt aber ohne nervige Berge (man bleibt sehr gerne daran hängen).

Das Geschehen seht ihr dabei von schräg oben und in einem tristen aber übersichtlichen Pixellook, bei dem man selbst im schlimmsten Gewusel noch den Überblick behalten kann. Bunt wird es erst, wenn die Gegner kommen und haufenweisen Blutflecken auf dem Spielfeld hinterlassen.

Töten bis zum Umfallen

Um den endlosen Schwarm an Feinden zu überleben, stehen euch zwei Dinge zur Verfügung: Ein Schwert und die Waffen, die ihr den getöteten Monstern abnehmt. Das Schwert ist logischerweise nur im Nahkampf nützlich. Das ist insofern unpraktisch, da ALLE Gegner mit Schusswaffen ausgerüstet sind und sowohl sie als auch euer Charakter nur einen einzigen Treffer aushält. Allerdings kann es im richtigen Moment eingesetzt Projektile spalten und an seine(n) Empfänger zurückschleudern. Ja, ihr seid der Inbegriff eines (idealisierten) Ninjas nur in einem Cyberpunksetting. Aber am Ende des Tages kann selbst der beste Ninjas nicht alle Projektile einzeln abschmettern, auch wenn die UBERMOSH-Titel weit von echten Bullet-Hell-Spielen entfernt sind, weshalb ihr die meiste Zeit dann doch auf die Knarren zurückgreift.

UBERMOSH:OMEGA (Herstellerbild)

Diese sind einer kleinen Hierarchie unterlegen und ihr sammelt euch quasi bis zur besten Waffe einfach hoch und bleibt dann dort. Sprich am Anfang heißt es erst einmal durchhalten bis die gefährlichsten Gegner erscheinen, einen davon erledigen, dann seine Waffe schnappen und dann (hoffentlich) möglichst viele Kills machen. Denn ja, ich habe euch ein wenig angelogen: Die 90 Sekunden überleben ist eher zweitrangig und tatsächlich vor allem im Endlossetting ziemlich einfach, da ihr schlicht davonlaufen könnt. Euer viel wichtigeres Ziel ist es entsprechend in dieser Zeit möglichst viele Kills zu bekommen und so die Highscore nach oben zu treiben. Dauerfeuer gibt es allerdings nicht. Für jeden Schuss müsst ihr zum Leidwesen von Lysandas Ohren die linke Maustaste drücken (die rechte ist für das Schwert vorgesehen). Einzige Ausnahme ist die “Gunner“-Klasse. Sie hat tatsächlich Dauerfeuer im Programm aber im Gegenzug keinen Zugriff auf das Schwert. Der Kensai hingegen ist genau umgekehrt, er hat ein Schwert kann aber keine Waffen benutzen. Sind es in UBERMOSH nur drei Klassen plus eine ohne Modifikation, stehen euch in späteren Titel ein halbes Dutzend und mehr zur Verfügung. Alle mit ihren ganz eigenen Fähigkeiten und Herausforderungen. Auch die Anzahl an Respawns ist je nach Klasse unterschiedlich. Der Kensai hat beispielsweise in Teil 1 als Zugeständnis zu seinem Nahkampffokus sechs Respawns, der Gunner nur zwei.

“Respawns“ klingt jedoch komplizierter als es tatsächlich ist. Werdet ihr getroffen und habt noch eine Ladung im Respawnmodul übrig, geht es ohne auch nur eine Unterbrechung sofort weiter (mit ein paar Unverwundbarkeitsframes dazwischen). Es ist also faktisch einfach nur die Anzahl an Treffern, die ihr aushaltet. Sind alle Ladungen verbraucht (oder ihr habt die 90 Sekunden überlebt) geht es zurück ins Hauptmenü. Kein langes Herumgeplänkel, kein richtiger Score-Screen, keine wirklichen Ladezeiten. Man ist sofort wieder mitten drin in der Action mit der pumpenden Musik und den unerbittlich nahenden Gegnern.

Neben neuen Klassen, gibt es in jedem nachfolgenden Titel auch das ein oder andere neue Feature – meist zusätzliche Gegner mit neuen Fähigkeiten (z.B. Schilden) und Waffen. Oder es wird eins entfernt (Stichwort Hügel). Für Abwechslung ist also durchaus gesorgt.

UBERMOSH Vol.5 (Herstellerbild)

Beim Christoph meint: Es stellt sich durchaus die Frage, warum Walter Machado aus dem Spielprinzip acht einzelne Spiele gemacht hat. DLCs hätten es vermutlich auch getan. Aber gut. Bei dem Preis (ich habe 3,12€ für alle acht Titel bezahlt) ist es wurscht. Vor allem, weil es so fix geht. Der Vorteil von der nicht wirklich komplexen Grafik. Da braucht es nicht viel Power unter der Haube um das Spiel zu laden und es bei 60fps (capped) butterweich laufen zu lassen.

Dieser Minimalismus zusammen mit der Schnelligkeit ist es vermutlich auch, der mich immer und immer wieder eine Runde starten lässt. Ja, man ist mitunter schnell tot aber eben sehr schnell wieder mittendrin für einen weiteren Versuch. Dabei habe ich nie das Gefühl, dass das Spiel auf irgendeine Art und Weise unfair wäre. Die Gegnermassen erscheinen zwar mitunter groß und unschaffbar, wenn vor allem spät in einer Runde Dutzende von Feinden einen einkreisen. Aber der ewige Tanz aus Bewegung und Priorisierung (Gegner, Waffenart, Angriff) erlaubt theoretisch immer eine Lösung, hat man ihn erst einmal verinnerlicht. Das Ergebnis ist ein süchtig machender Flow, der für mich erst unterbrochen wird, wenn entweder Lysanda sich über das (aus ihrer Sicht) nervige Klicken beschwert. Oder sobald ich in einem Titel alle Achievements habe (~6 Stunden in UBERMOSH) und dann zum nächsten übersiedele, um mich dessen mehr oder weniger stark veränderter Herausforderung zu stellen.

Unterm Strich also ein einfacher und (im Sale) extrem billiger Spaß den ich allen an Herz legen kann, die auf kompromisslose und adrenalinfördernde Action stehen. Wer es hingegen etwas komplexer möchte, der ist vermutlich bei Vampire Survivors und seinen Klonen besser aufgehoben.

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