Samstagnachmittag um 17 Uhr (ungewöhnliche Uhrzeit) flatterte eine E-Mail herein, mit der ich nicht mehr so wirklich gerechnet hatte: Es war die Handwerkerrechnung zu den Maler- und Verputzerarbeiten, die wir vor fast einem Jahr hatten durchführen lassen. Anfang Mai war die Aktion abgeschlossen und seitdem Funkstille. Gut, ich hätte sicherlich mal nachfragen können aber wer rennt schon freiwillig einer Rechnung mit einem hohen, vierstelligen Betrag hinterher? Eben. Der Meister hat die (selbst verursachte) Verspätung offensichtlich ebenfalls mit Humor genommen, denn seine Nachricht beginnt mit “Es kommt was kommen musste…” .
Ich werde sie freilich heute im Laufe des Tages bezahlen. Sie haben sehr gute Arbeit geleistet und der Inhalt der Rechnung passt. Aber ich habe mir dennoch in den letzten Monaten mal die Frage gestellt, ob sowas eigentlich verjährt. Die Antwort darauf ist ein “Nein” – allerdings mit einem Sternchen dran. Eine Verjährungsmöglichkeit gibt es nur auf die Rechnung selbst. Der Anspruch darauf eine Rechnung stellen zu dürfen jedoch nicht. Selbst wenn ihr also mit 90 auf dem Totenbett liegt kann theoretisch noch jemand aus der dunklen Ecke springen und von euch das Geld für etwas verlangen, was ihr mit 20 eingekauft habt. Und ich vermute stark, dass dieser Anspruch dann sogar auf die Erben übergehen würde. Wie realistisch so ein Szenario ist, sei mal dahin gestellt. Schon allein wegen den Aufbewahrungsfristen von max. zehn Jahren. Zumindest würde ich mich schon fragen wie eine Firma überlebt, die über Jahre hinweg ihre Forderungen nicht eintreibt. Aber gut zu wissen.
Der Handwerkerfall
Basierend auf § 195 BGB verjährt ein Anspruch nach drei Jahren. Wie es so oft im Recht ist, wird dabei auf das ganze Jahr geschaut. Da also die Rechnung in unserem Fall im Februar 2023 gestellt wurde, würde die Verjährung am 01.01.2026 eintreten, da die Frist erst am 31.12.2023 überhaupt beginnt. Allerdings gibt es bei sogenannten Werkverträgen (wozu eine Handwerkerleistung zählt) eine Ausnahme gemäß § 641 BGB d.h. die Verjährungsfrist startet bereits mit der Abnahme der Arbeiten. In unserem Beispiel entsprechend am 31.12.2022.
Also obwohl wir noch gar keine Rechnung hatten, war die dreijährige Verjährungsfrist bereits angelaufen, weil ich dem Handwerker gegenüber Anfang Mai die Arbeiten mündlich abgenommen hatte. Wobei ihr die Abnahme der Leistung nicht zwingend auf irgendeine Art und Weise bestätigen müsst. Es gibt auch den Fall der stillschweigenden Abnahme (Billigung). Sprich, wenn ihr euch lange genug nicht beschwert und grundsätzlich die Leistung gemäß Vertrag erbracht wurde, dann seid ihr offensichtlich mit der Arbeit zufrieden gewesen. Aber hier gibt es ebenfalls das ein oder andere Sternchen z.B., wenn die erbrachte Leistung wirklich unter aller Sau war. Das würde an dieser Stelle jedoch nicht nur zu weit führen – ich bin zudem bekanntlich kein Anwalt. Aber ihr seht: Ein weiterer Grund sich nicht unbedingt voreilig um eine Rechnung zu bemühen . Das bedeutet im Umkehrschluss ebenfalls, dass die Verjährungsfrist nicht beginnt, wenn es Mängel gibt. Da befinden wir uns dann im § 634 BGB und dem Mangelrecht, bei dem ganz andere Rechte, Pflichten und Fristen gelten. Ich hoffe mal nicht, dass ich mich jemals damit auseinander setzen muss.
Das Ärgerliche
Einen Nachteil hat es aber dann doch, dass die Rechnung erst jetzt gekommen ist: § 35a EStG. Der regelt, dass ihr Handwerkerleistungen bei der Einkommenssteuer ansetzen könnt. Die sind gedeckelt auf 6.000€ pro Jahr und angerechnet bekommt ihr auch nur 20% also maximal 1.200€. Leider zählt gemäß Absatz 5 nicht das Jahr der Erbringung, sondern das in dem ihr die Leistung bezahlt habt. Wir können also die Rechnung nicht mehr – wie ursprünglich geplant – für die Steuerklärung 2022 nutzen, sondern erst für 2023.
Das ist zum einen für die Steuererklärung 2022 doof, da wir nun “nichts” zum absetzen haben. Und zum anderen sind wir für 2023 bereits ziemlich am Limit der maximal möglichen 6.000€ (zur Erinnerung: es zählen nur die Arbeitsstunden, nicht z.B. das Material). Steuerlich macht es entsprechend für uns jetzt keinen Sinn mehr dieses Jahr noch irgendetwas machen zu lassen. Warten wir halt noch ein weiteres Jahr auf den Einbau des Kellerbads *enttäuschtes Stöhnen*. Was tut man nicht alles, nur um dem Staat ein paar Euros abzuluchsen…
Jetzt fragt sich vielleicht der ein oder andere, ob sich daraus ein Anspruch gegenüber dem Handwerker ergibt. Und ja, es gibt tatsächlich ein Urteil in dieser Hinsicht vom Amtsgericht Limburg. Leider scheint der Urteilstext nicht im Internet zur Verfügung zu stehen (Aktenzeichen 4 C 1332/16 (17)). Aber gemäß z.B. diesem Zeitungsbericht war genau so eine späte Rechnungsstellung über den Jahreswechsel hinweg das Thema. Und der Kunde bekam tatsächlich Recht. Die Ansicht des Gerichts war, dass sich aus UStG §14 Absatz 2 eine Rechnungsstellungsfrist von sechs Monaten ergibt. Diese war im behandelten Fall bereits überschritten. Theoretisch bei uns auch (Abnahme Mai 2022, Rechnung Februar 2023). Aber es ist bislang das einzige Urteil dieser Art und wohl selbst bei Rechtsanwälten umstritten. Insofern haben wir jetzt keine Bestrebungen uns jetzt mit unserem lokalen Handwerksbetrieb anzulegen.
Mahnverfahren
Jetzt ist die Rechnung da und wir müssen sie bezahlen. Aber könnten wir die Zahlung noch bis Januar 2024 hinauszögern, um doch noch 2023 das Kellerbad machen zu lassen und die Malerarbeiten dann erst für 2024 anzusetzen? Theoretisch ja, aber realistischerweise würde irgendwann die Firma ein Mahnverfahren starten mit entsprechenden Gebühren und Verzugszinsen. Gerne hört man dahingehend ja, dass die 1. Mahnung kostenlos ist. Man die also getrost abwarten kann. Tatsächlich ist das jedoch keine allgemeingültige Regel, sondern hängt davon ab was in der Rechnung und/oder dem Vertrag steht.
Um Gebühren und Verzugszinsen verlangen zu können muss euer Gegenüber euch nämlich erst mit einer angemessenen Frist in Verzug setzen. Daher kommt, dass oft die 1. Mahnung kostenlos ist, weil euch häufig erst damit eine entsprechende Frist gesetzt wird und ihr vorher nicht in Verzug geratet. Dem kann der Zahlungsempfänger allerdings entgegenwirken, indem er euch bereits in der Rechnung oder dem Vertrag eine entsprechende Frist setzt. Wenn dort z.B. “zahlbar in 14 Tagen” oder “zahlbar bis 28.2.23” steht, dann seid ihr bereits nach dieser gesetzten Frist automatisch in Verzug und die 1. Mahnung (muss) nicht mehr kostenlos (sein). Das gilt auch bei Formulierungen wie “Nach 30 Tagen tritt Verzug ein”. Hier bezieht sich der Rechnungssteller dann auf $ 286 Absatz 3 BGB. Wichtig: Für Leistungen zwischen Unternehmen trifft das nicht zu. Da gelten die 30 Tage selbst ohne entsprechenden Hinweis.
Wie hoch die Mahngebühr sein darf, ist jedoch nicht festgelegt. Es gibt nur ein paar Gerichtsurteile, die darauf hindeuten, dass es maximal 2-3€ sein sollten. Die Höhe der Verzugszinsen regelt hingegen $ 288 BGB. Aber logischerweise am besten gar nicht erst so weit kommen lassen. Das kostet nur Zeit, Geld und Nerven.
Meine Quellen
Neben den eigentlichen Gesetzestexten sind für mich gute Ressourcen rund um solche Themen die Seiten der Schuldnerberatung sowie handwerk.com. Letztere richtet sich eigentlich an Gewerbetreibende. Aber auch als Verbraucher macht es natürlich Sinn die Waffen der Gegenseite zu kennen. Die Texte der Zeitschrift Finanztip kann ich grundsätzlich ebenfalls empfehlen. Mir geht nur ihr Chefredakteur, Hermann-Josef Tenhagen, aufgrund seiner medialen Dauerpräsenz (schreibt Kolumnen für viele Zeitschriften und ist oft als Experte im öffentlich-rechtlichen Fernsehen) etwas auf den Geist .