Shen Yun Performing Arts (Herstellerbild)

Letzte Woche waren Lysanda und ich mal wieder im Staatstheater Darmstadt. Unser letzter Besuch lag schon sehr, sehr weit zurück. Kam dann irgendwie zu viel anderes im Leben dazwischen plus natürlich Corona. Letzteres betraf auch für Vorführung von Shen Yun, die wir nun besucht haben. Da hatte ich meiner angebeteten Ehefrau eigentlich schon für die 2020er Vorstellung in der Jahrhunderthalle in Frankfurt Karten geschenkt. Aber die fiel bekanntlich wie so vieles damals aus und auch keine der geplanten Ersatzvorstellungen konnte stattfinden, weshalb ich am Ende nach der gesetzlichen verordneten Schonfrist (Januar 2022) einfach mein Geld wieder auf dem Konto hatte. Anfang des Jahres habe ich dann zufällig auf einer Hausfassade im Ort Werbung gesehen, dass sie mal wieder in der Gegend sind – ja, die gute alte Werbewand funktioniert immer noch. Also Karten gekauft und den Anzug abgestaubt.

Ganz viel Tanzen

Bei Shen Yun dreht sich alles um den “klassischen chinesischen Tanz” – wie es dem Zuschauer von den beiden Moderatoren (auf Deutsch und Chinesisch) auch mehrfach am Abend deutlich gemacht wird. Allerdings sind unter den rund 15 Vorstellungen des Abends ebenfalls Tänze chinesischer Minderheiten und chinesische Volkstänze. Zwei Gesangseinlagen und ein kleines Musikintermezzo mit einer Erhu gab es ebenfalls.

Selbsternanntes Ziel der Truppe aus New York ist es die 5000-jährige chinesische Kultur neu zu beleben, die durch die Kommunistische Partei Chinas unter Mao Zedong während der Kulturrevolution 1966-1976 vollständig zerstört worden war. Entsprechend wenig verwunderlich, dass die Gruppe in China selbst nicht auftreten darf. Dass der ein oder andere Tanz faustdicke Regierungskritik enthält, dürfte die Annäherung zusätzlich erschweren. Aber die Tänzerinnen und Tänzer sind dennoch fast durchweg chinesischer Abstammung. Entsprechend stark stachen die eine Dame und der eine Herr (auch noch ein Rotschopf) aus dem Ensemble heraus, die nach der Pause mittanzten.

Shen Yun Performing Arts (Promobild)

Zwei Stunden dauert die Vorführung, durch die es aber leider abseits von “hat irgendwas mit China zu tun” keinen wirklich zusammenhängenden Faden gibt. Okay, das stimmt nicht ganz. Technisch gesehen geht es irgendwie um göttliche Wesen, die vom Himmel herabkommen und vor einem Tanzen. Aber das ist eine sehr, sehr lose Verknüpfungen. Stattdessen wird mal ein klassischer oder traditioneller Tanz vorgeführt. Ein anderes Mal eine Geschichte aus der chinesischen Historie, Mythologie und sogar Moderne (ja, Corona ist ein Thema) erzählt. Ein bisschen “den eigenen Glauben aufdrücken” ist leider ebenfalls dabei. Zumindest fanden Lysanda und ich die Texte der Gesangseinlagen durchaus fragwürdig. So wurde beispielsweise die Evolutionstheorie als Blödsinn abgetan. Wenn der Gesang wenigstens gut gewesen wäre. Leider war es gefühlt ein reines “Ich schau wie hoch ich mit meiner Stimme komme”-Geplärre. Definitiv kein Highlight des Abends. Zum Glück waren es nur zwei Einlagen (ein Herr und eine Dame).

Alte Tradition und moderne Technik

Immerhin konnten die Tänze selbst größtenteils überzeugen. Vor allem, wenn sie traditionelle, bunte und wallende Gewänder trugen war es sehr beeindruckend und mitreißend. Da ist die ganze Bühne so richtig in Bewegung und das Können der Damen und Herren kommt sehr schön zur Geltung. Außerdem nutzt die Truppe gekonnt digitale Bühnenbilder. Im ersten Moment wirken sie nur wie eine leicht animierte 3D-Landschaft auf dem grafischen Niveau von 2010, die einem helfen soll in die richtige Stimmung für den aktuellen Tanz zu kommen. Ziemlich schnell entpuppen sie sich jedoch als wichtiger Teil der Vorstellung. Nicht nur wird dort ein Teil der Geschichte erzählt – die Tänzer interagieren auch fleißig mit ihr. Beispielsweise schreibt der (reale) Gelehrte in einer Szene etwas und es erscheint passend zu seinen Bewegungen Schrift auf einem Felsen. Oder der Revoluzzer hängt eine Schriftrolle auf einen Baum, die dort dann bleibt. Das allein wäre schon eine coole Sache. Will gar nicht wissen, wie oft die das richtige Timing dafür üben mussten.

Shen Yun Performing Arts (Promobild)

Richtig genial wird es dann, wenn die Tänzer aus dem Bildschirm heraus- und hineinspringen. Das hat nicht nur beim ersten Mal dem ganzen Zuschauerraum ein erstauntes “Wow” entlockt, so perfekt und nahtlos passiert das. Mein persönlicher Höhepunkt – und das ist technisch gesehen ein Spoiler – war der Tanz der göttlichen Feen (oder sowas in der Art). Die ganze Bühne war nach Heben des Vorhangs vollgepumpt mit weißem Rauch (=Wolken) und im Hintergrund befanden wir uns ebenfalls über den Wolken. Dann kamen von dort die Feen angeflogen und tauchten anschließend überraschend aus dem Nebel auf der Bühne auf. Ein echt genialer Moment gefolgt von einem wunderschönen Tanz. Die Musiker unten im Orchestergraben habe ich in dem Moment jedoch nicht beneidet. Die wurden faktisch ertränkt vom Nebel, der von der Bühne herunterwallte :smile: .

Übrigens ein gutes Stichwort: Begleitet wird die Vorführung von einem eigenen, klassischen Orchester. Neben den üblichen Streich- und Blasinstrumenten, war natürlich auch dort der ein oder andere asiatische Klang versteckt. Für meinen Geschmack aber tatsächlich zu wenig. Hatte bei dem ganzen Fokus auf “chinesische Kultur” irgendwie mehr in der Richtung erwartet. Vielleicht will man die Zuschauer nicht mit zu viel fremden Klängen verschrecken. Aber gut: Die Musik konnte sich alles in allem hören lassen und passt perfekt zur Vorstellung. Wirklich beeindruckend diese Harmonie zwischen allen Bestandteilen.

Mittlerweile sind wohl acht Truppen gleichzeitig auf der ganzen Welt unterwegs und geben Aufführungen. Außerdem wechselt jährlich die Zusammenstellung des Programms. Ein gutes Beispiel dafür war vermutlich die Corona-Szene.

Fazit

Mit 143€ pro Person war der Besuch bei Shen Yun nicht gerade billig und wir hatten trotz des hohen Preises nicht die optimalsten Sitze (Lysanda konnte die linke Seite der Bühne nur schlecht sehen). Aber trotz der Gesangseinlagen war es unterm Strich ein sehr schöner und unterhaltsamer Abend. Viele beeindruckende Tänze, schöne Musik, tolle Kostüme und coole Ideen. Absolut zu empfehlen, wenn sie mal in eurer Nähe sind. Und sollten sie mal wieder in Darmstadt sein, stehen die Chancen gut, dass wir ebenfalls erneut hingehen. Im September geht es aber erstmal ins Staatstheater zu Badesalz und ihrem aktuellen Programm “Kaksi Dudes”. Ist auch schon wieder eine Ewigkeit her, seit ich die das letzte Mal live gesehen habe.

Eigentlich würde man erwarten, dass der Begriff “Bücherschrank” ziemlich eindeutig ist. Es ist ein Schrank, in dem Bücher stehen. Aber irgendwie nutzen manche Leute solche öffentlichen Tauschschränke auch zur Ablage von anderen Dingen. Das harmloseste (und naheliegendste) sind noch DVD/Blu-rays, die manchmal dort landen. Sogar einen selbst gebrannten Film haben wir mal gefunden. Wir opfern uns dann immer die mitzunehmen. Sind nämlich meist Werke, die ich mir ansonsten niemals im Leben holen würde. Und anschließend geben wir sie dann weiter, wenn der Film tatsächlich nichts für den dauerhaften Aufenthalt im Regal taugt.

Und heute möchte ich euch ein paar dieser Bücherschrank-Funde mal vorstellen:

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Der Klang des Herzens* (August Rush, 2007, DV) – Am einfachsten lässt sich dieses Werk vermutlich als “modernes Märchen” zusammenfassen. Es geht um das Kind zweier vom Leben frustrierter Musiker namens Lyla und Louis, die sich bei einer Party kennenlernen, prompt eine Runde vögeln und sich dann sofort aus den Augen verlieren. Sie wird (natürlich *augenroll*) sofort schwanger, aber das passt ihrem ehrgeizigen Vater nicht, der ihre Karriere in Gefahr sieht. Also behauptet er nach einem Unfall, dass das Kind gestorben ist obwohl er es heimlich zur Adoption freigegeben hat. Evan, so sein Name, landet also im Heim. Film Ende.

Nein, selbstverständlich nicht. Evan gibt die Hoffnung nicht auf, dass er seine Eltern irgendwann wiedersehen wird. Außerdem kann er überall Musik hören und stellt sich im Laufe des Films als moderner Mozart heraus. Am liebsten würde er einfach im Heim auf ihre Rückkehr warten aber durch diverse Umstände landet er in New York und fällt dem zwielichtigen Straßenmusiker “Wizard” (Robin Williams in einer bescheuerten Rolle) in die Hände, der sein Talent ausbeuten will. Derweil stirbt der Vater der Cellistin und eröffnet ihr auf dem Totenbett, dass ihr Kind lebt. Also lässt sie alles stehen und liegen und landet auf der Suche nach ihm ebenfalls in New York. Zufälligerweise wurde sie dort nämlich zu einem Konzert eingeladen. Der Rockmusiker ist hingegen mit seinem neuen, “normalen” Leben ebenfalls unzufrieden. Als er sieht, dass seine ewige Liebe in New York auftreten wird, fährt er entsprechend sofort los. Somit sind relativ zügig alle relevanten Personen an einem Ort und nach diversen Umwegen folgt endlich das Happy End. Hätte ich “Spoiler” sagen sollen? Als würde bei dieser Art von Film was anderes passieren…

Beim Christoph meint: 1 von 5 Sics. Vielleicht habe ich ein Herz aus Stein. Vielleicht liegt es aber auch schlicht daran, dass so viele Situationen in diesem Film sowas von an den Haaren herbeigezogen sind, dass mich diese so “unglaublich emotionale” Geschichte absolut nicht mitreißen konnte. Wenn die ganze Sache irgendwann im 18. Jahrhundert oder so gespielt hätte, wäre so einiges vielleicht noch vertretbar gewesen. Aber 2007 waren Mobiltelefone, Computer und Internet definitiv schon weit verbreitet… Dazu kommt, dass Evan dank seiner vollkommenden Ahnungslosigkeit und Naivität ein absolut nerviges Kind ist, das mir den ganzen Film hindurch nur auf den Keks geht. Hat uns überhaupt nicht gefallen das Werk.

 

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einfach zu hAben* (Easy A, 2010, DV) – Eine Teenie-gerechte Neuinterpretation (als romantische Komödie) des amerikanischen Romans Der scharlachrote Buchstabe*. Um mit ihrer Freundin nicht auf einen Camping-Ausflug gehen zu müssen, erfindet Olive Penderghast ein Date mit einem gewissen George. Soweit so eine unverfängliche Notlüge. Leider will die Freundin nach dem Wochenende natürlich wissen, wie es war. Und weil ihr die Freundin so auf den Keks geht, behauptet Olive, sie hätte mit ihm geschlafen. Und wie es (scheinbar?) an amerikanischen Schulen so ist, bleibt die Sache nicht lange ein Geheimnis und Olive wird recht zügig zur Schlampe abgestempelt. Passenderweise nehmen die Schüler gerade besagten Roman im Unterricht durch. Als Olive von ihrer Mitschülerin entsprechend mit der Protagonistin verglichen wird, findet sie das anfangs zwar nicht gut, geht aber dann doch in dieser Rolle auf und schlägt Kapital daraus. Einige Jungs bezahlen sie nämlich dafür, dass sie behaupten dürfen mit ihr Sex gehabt zu haben, um ihren eigenen Status zu verbessern. Das Ganze geht zwar eine Weile gut aber natürlich passieren diverse Dinge, die Olive dann doch zur Vernunft bringen und sie versucht zusammen mit ihrem einzigen, echten Freund einen Ausweg aus der misslichen Lage zu finden.

Beim Christoph meint: Solide 3 von 5 Sics. Ich bin zwar nicht die Zielgruppe, aber ich fand die Erzählung trotzdem gut in Szene gesetzt und konnte mir hier und da das Schmunzeln nicht verkneifen (vor allem die Szenen mit Olives coolen Eltern). Nichts, was ich mir nochmal anschauen würde aber definitiv eine nette und halbwegs intelligente Abendunterhaltung. Außerdem hat der Film mein Interesse an Victor Sjöströms Stummfilm Der rote Buchstabe aus dem Jahre 1926 geweckt. Leider scheint diese Fassung derzeit nirgends verfügbar zu sein :sad: .

 

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Nur mit dir* (A Walk to Remember, 2002, DV) – Ein Liebes-Drama zwischen der zurückhaltenden Jamie, Tochter des lokalen Pfarrers, und Landon, einem der angesehensten Jungen in der Schule. Der baut eines Tages so richtig Mist und wird vom Schuldirektor deshalb u.a. dazu verdonnert in der Theatergruppe mitzumachen. Jamie, die er schon seit seiner Kindheit kennt, ist dort ebenfalls Mitglied. Und den Rest des Plots könnt ihr euch vermutlich schon denken: Landon nimmt Jamie nun zum ersten Mal in seinem Leben richtig wahr, verliebt sich in sie und lässt sein Hooligan-Dasein hinter sich. Doch oh Schreck: Jamie trägt ein dunkles Geheim… es ist Krebs. Sie hat Krebs. Was auch sonst *augenroll*. Anders lässt sich ja keine echte Dramatik erzeugen…

Beim Christoph meint: Von mir gibt es 2 von 5 Sics. Die Geschichte ist klischee-überladen und an sich nichts Neues, aber im Gegensatz zu Der Klang des Herzens gingen die 98 Minuten doch halbwegs zügig rum. Lag vermutlich vor allem daran, dass es ein überraschend musikalischer Film ist. Gefühlt keine Szene in der nicht irgendein halbwegs fetziger Pop-Song abgespielt wurde. Wenn man gerade nichts Besseres zur Hand hat für einen einmaligen Genuss also insgesamt okay.

 

(Cover)

Valentinstag* (Valentine’s Day, 2010, DV) – Da hat selbst Lysanda gestaunt wie viele prominente Namen während des Vorspanns eingeblendet wurden. Definitiv eine absolute Starbesetzung, die einen hier erwartet. Die meisten haben entsprechend nicht allzu viel zu tun. Julia Roberts z.B. ist ganze sechs Minuten zu sehen, sagt in der Zeit 251 Wörter und hat dafür drei Millionen Dollar Gage kassiert (plus Beteiligung an den Einnahmen). So erfolgreich müsste man mal sein. Der Film ist eine Sammlung von Beziehungsgeschichten, die (größtenteils) ihren Knotenpunkt in einem Blumenlanden in Los Angeles haben. So hat der junge Besitzer gerade seiner Freundin einen Heiratsantrag gemacht, die im Laufe des Tages jedoch ihre Meinung ändert und Hals über Kopf abzischt (seine Freunde und Kollegen hatten das schon erwartet). Dann wäre da noch seine andere Freundin, die in einen Arzt verliebt ist, der jedoch schon verheiratet ist (sie weiß es aber nicht). Ansonsten ein Footballspieler, der Karriereprobleme hat – und schwul ist sowie seine ziemlich einsame und depressive PR-Vertreterin. Und ein kleiner Junge, der für seine große Liebe Blumen kaufen und liefern lassen möchte. Sowie noch ein paar weitere Paare unterschiedlichsten Alters und mit ihren ganz eigenen Problemen an diesem Valentinstag.

Beim Christoph meint: Definitiv zu viel los, um wirklich Tiefgang zu haben. Selbst die zentrale Hauptfigur, der Blumenhändler Reed, kommt nicht wirklich zur Geltung. Ein paar Nebengeschichten weniger hätten dem Film sicherlich gut getan. Dabei hat er schon eine Laufzeit von 120 Minuten. Andererseits hätte ich als Zuschauer dann vermutlich viel zu viel Zeit zum Denken gehabt. So fällt dank der ganzen hysterischen Dramatik gar nicht weiter auf, dass hinter den dargestellten Formen der “Romantik” nicht wirklich viel steckt. Stattdessen vergeht die Zeit wie im Fluge. Unterm Strich also 3 von 5 Sics und ein Film, den man durchaus mal mit seinem Partner anschauen kann. Erwartet aber nicht, dass ihr euch anschließend total verzaubert in die Arme fallt oder so.

 

Jetzt ist es aber genug für heute. Über die anderen Werke schreibe ich vielleicht mal ein anderes Mal. Und nein, kein einziger von diesen Filmen verbleibt in der Casa Lysanda. Keiner von uns beiden sieht die Notwendigkeit sich noch einmal eins dieser Werke anzuschauen. Dafür habe ich wahrlich genug im Regal stehen, was wir (oder zumindest Lysanda) noch nicht gesehen haben.

PS: Valentinstag war übrigens der selbst gebrannte Film. Diese Fassung haben wir aber nicht angeschaut. Er lag lustigerweise ein paar Tage später dann im Original im Bücherschrank auf der Arbeit. Scheinbar wollte das Universum, dass wir ihn konsumieren :smile: .

Das offizielle Logo von PsychOdyssey

Interessiert ihr euch für die Entwicklung von Spielen? Und ihr habt ca. 20 Stunden Zeit? Dann zieht euch unbedingt Double Fine PsychOdyssey rein, die neue Dokumentation von 2 Player Productions. Wie schon damals bei Double Fine Adventure (auch ein Pflichtkonsum!), haben sie wieder ihr Unwesen bei Double Fine Productions getrieben und einer von ihnen währenddessen sogar die Seiten gewechselt. Dieses Mal haben sie die komplette Entwicklung von Psychonauts 2 begleitet – von der ersten Konzeption 2015 bis zur Veröffentlichung 2021.

Über 32 Folgen hinweg bekommt ihr einen ungeschminkten Einblick hinter die Kulissen. Ihr seht alle Höhen und Tiefen, die das Spiel und die Leute dahinter durchlaufen haben. Am Ende bleibt ihr verwundert zurück, wie trotz all dem Chaos ein so gutes Spiel rauskommen konnte. Allein wie viel Glück das Studio in Bezug auf die Länge der Entwicklung hatte ist der Wahnsinn. Selbst Corona war ein absoluter Segen für Psychonauts 2, weil sie trotz aller damit verbundenen Widrigkeiten so noch mehr Zeit bis zum Release bekamen. Wäre es wie geplant 2019 veröffentlicht worden – alter Schwede, das wäre ein Desaster gewesen. Gleichzeitig haben sie über die Jahre nicht nur aufgrund von absolutem Missmanagement (anders kann man es nicht nennen) haufenweise Talent verloren – teilweise Leute, die seit der ersten Stunde des Studios dabei gewesen waren -, sondern viele Levels oft mehrfach komplett über den Haufen werfen und neu anfangen müssen. Nach dem Schauen der Dokumentation verstehe ich definitiv wie mein Kritikpunkt, “nicht so schräg wie Teil 1”, zustande gekommen ist. Sie hatten faktisch gar keine Zeit zu extrem von der Norm abzuweichen. Sie waren froh überhaupt was spielbares zu haben, das wie Psychonauts aussieht und sich so spielt. Echt krass.

Mein einziger Kritikpunkt an der Dokumentation ist, dass es am Ende zu schnell geht. Die finalen Monate der Entwicklung (2020 und 2021) werden – vermutlich wegen Corona – ziemlich schnell abgehandelt. Außerdem vermisse ich eine Folge zu den Nachwehen. Es endet stattdessen mit der Releaseparty. Aber das sind wirklich nur Kleinigkeiten. Ansonsten ist Double Fine PsychOdyssey ein absoluter Knaller und es gibt bislang nichts Vergleichbares. Unbedingt anschauen! Ich hoffe derweil inständig, dass Microsoft als neuer Besitzer der Sache keinen Riegel vorschiebt und wir auch beim nächsten Tim Schafer-Titel wieder in den Genuss solcher Aufnahmen kommen.

Anfang Januar hatte ich euch von Simulacron-3 erzählt und in einem Nebensatz erwähnt, dass es noch eine zweite Verfilmung des Romans gibt. Passenderweise hatte medimops vor kurzem mal wieder eine Rabattaktion und besagter Film landete im Warenkorb. Am Wochenende war es dann soweit und wir haben uns das Machwerk “angetan”:

(Cover)

The 13th Floor* (1999, DV) – Auf dem Cover steht riesengroß “Roland Emmerich” drauf. Er ist zwar jetzt nicht für die allerbesten Filme bekannt aber ein paar Hits hat er in seinem Leben durchaus hinbekommen und zumindest für seichte Unterhaltung reicht es meistens. Blöd nur, dass es irreführende Werbung ist. Er war nur einer der Produzenten des Films. Im Regiestuhl saß stattdessen Josef Rusnak, der auch das Drehbuch geschrieben hat. Sein Name ist weder auf der Vorder- noch auf der Rückseite der DVD-Hülle zu finden… Schlechte Vorzeichen. Aber gut, worum geht es?

Achtung: Ich nehme keine Rücksicht auf Spoiler. Ist sowieso eher unwahrscheinlich, dass ihr euch das Machwerk irgendwann mal anschauen werdet.

Wir schreiben das Jahr 1999. Die Hauptcharaktere sind Hannon Fuller und Douglas Hall, die einen Simulator gebaut haben. Darin ist eine virtuelle Welt voll mit Identitätseinheiten. Soweit, so stimmig zur Vorlage. Statt die reale Welt zu simulieren, um Marktforschung zu betreiben, hat Fuller jedoch eine Stadt aus dem Jahre 1937 nachgebaut. Warum? Weil vermutlich der Drehbuchautor das Setting spannend fand oder so. Relevant für die eigentliche Geschichte ist es überhaupt nicht. Die Erklärung im Film ist jedoch, dass es Fullers Geburtsjahr wäre. Okay, von mir aus. Fuller – so stellt sich relativ schnell heraus – besucht diese Welt häufig. Hauptsächlich, um sich mit jungen Mädels zu vergnügen. Dazu schlüpft er in die Haut eines gewissen Grierson, der ihm zum Verwechseln ähnlich sieht (und verheiratet ist…).

So Mysteriös!

Der Film beginnt ganz mysteriös damit, dass Fuller einen Brief an Hall schreibt von wegen “ich hab‘ ein Geheimnis entdeckt und man wird mich dafür umbringen”. Er befindet sich gerade in der Simulation und übergibt den Brief anschließend an den Barkeeper im Hotel. Ein total vertrauenswürdiger Kerl, der sich selbstverständlich sofort daran macht ihn zu öffnen und zu lesen. Währenddessen kehrt Fuller in seine Welt zurück, geht in eine Bar (in der er scheinbar vorher noch nie war…) und spricht Hall auf den Anrufbeantworter von wegen “ich hab‘ dir im Computer eine Nachricht überlassen”. Während des Telefonats taucht plötzlich jemand auf und ermordet Fuller. Die Perspektive wechselt nun zu Douglas Hall. Dieser findet blutige Klamotten im Mülleimer seines Badezimmers, kann sich aber an nichts erinnern.

Ein knallharter 08/15-Detektiv befragt Hall (und verdächtigt ihn selbstverständlich insgeheim) als sie in Fullers Apartment plötzlich auf Jane Fuller treffen. Hall kennt Jane nicht, ist aber sofort von dieser Schönheit mächtig angetan und will sie im Prinzip ohne Umwege ins Bett zerren *augenroll*. Es kommt heraus, dass Fuller sein Testament vor zwei Tagen geändert und die Firma an Hall übertragen hat (=klares Motiv. Fall gelöst!). Es folgt ein kleiner Abstecher in dem es um einen Barkepper geht, der den Mord an Fuller gesehen hat – es war Hall (wie überraschend…). Der Detektiv offenbart außerdem, dass Fuller Hall angerufen hat und der geht endlich seinen Anrufbeantworter richtig abhören. Danach entscheidet er sich selbst in die Simulation einzusteigen.

Eine Aktion, die er scheinbar noch nie selbst gemacht hat und total gefährlich und so ist. Er streitet sich sogar mit Programmierer Jason Whitney intensiv darüber ob er ihn jetzt für 90 oder 120 Minuten reinlässt. Und auch dem Zuschauer versucht der Regisseur absolut klar zu machen wie wichtig dieses Zeitlimit ist. Bloß nicht vergessen! Warum es Fuller offensichtlich schon mehrfach ohne Probleme (und vermutlich längere Zeit) gemacht hat? Stellt doch nicht solche Fragen…

Schwer zu ertragen

The 13th Floor (Columbia Pictures Promobild)

Nach einer billigen 80iger Jahre Lasershow schlüpft Hall also in die Rolle von John Ferguson, den Fuller scheinbar nach Halls Ebenbild erschaffen hat und ist total “geflasht” von dem was er erlebt. “Woah, das fühlt sich so real an” etc. Eine total bekloppte Sequenz aber irgendwie muss man ja die Laufzeit in die Länge ziehen. Naja, er landet irgendwie beim Barkeeper, der ihn aber anlügt. Dann spielt das System kurz vor Ablauf der 120 Minuten verrückt und Hall landet wieder in der “realen” Welt. Es folgt so viel unzusammenhängender Schwachsinn, dass ich gar keine Lust habe ihn hier detailliert wieder zu geben. Deswegen nur die wichtigsten Highlights:

  • Hall versucht die Charaktere in der simulierten Welt dazu zu bringen sich an das zu erinnern, was sie während ihrer Kontrolle durch Fuller getan haben und der Barkeeper wird als Briefempfänger identifiziert.
  • Der Barkeeper ist in der Zwischenzeit an die Grenze der virtuellen Welt gefahren, kann mit dieser Erkenntnis nicht umgehen und versucht Hall nun zu töten.
  • Hall entkommt dank Whitney gerade so aus der Simulation. Er hatte nämlich vergessen den Timer zu stellen. Etwas, worauf der Zuschauer ebenfalls sehr häufig und sehr genau hingewiesen wurde während Hall in die Simulation eingestiegen ist. Alter Schwede, für wie dumm kann man sein Publikum eigentlich halten?
  • Der Detektiv stellt fest, dass Jane nicht existiert und Hall findet an einer Supermarktkasse eine Natasha Molinaro, die sich nicht an ihn erinnern kann. Ein paar Minuten später sieht man den Transfer von Jane in Natashas Körper. Wenn der Zuschauer nicht total bekloppt ist, weiß er spätestens jetzt, dass Halls Welt nicht real ist.
  • Hall fährt ebenfalls an das Ende der Welt und findet eine total hippe Rasterdarstellung wieder. Habe ich schon erwähnt, dass im gleichen Jahr The Matrix in die Kinos kam?!
  • Anschließend treffen sich Hall und Jane in seinem Apartment, sie enthüllt ihm die ganze Wahrheit und es folgt eine Runde (implizierter) Sex… *noch mehr augenroll*
  • Derweil geht der Programmierer auch mal in die Simulation (warum?!), schlüpft in die Rolle des Barkeepers (der nach ihm empfunden ist) und wird vom Bus überfahren. Whitney ist tot, stattdessen wacht der Barkeeper in der realen Welt auf und ist erstmal mit einer Automatiktür überfordert… Der Simulator macht quasi einen Austausch der Gehirne, deswegen dieses Ergebnis. Ebenfalls ein wichtiger Punkt, der dem Zuschauer mehrfach eingehämmert werden muss!
  • Hall wird erneut von seinem User übernommen (der die ganzen Morde begangen hat) und will auch Jane töten. Jane ist aber pfiffig und stattdessen wird Hall vom Detektiv erschossen.
  • Hall wacht im Jahr 2024 auf, ist wieder total geflasht von dem was er dort sieht (ein paar undeutliche Hochhäuer im Wasser). Lernt kurz den echten Fuller kennen und wenn sie nicht gestorben sind, rummeln Jane und Hall noch heute im Strandhaus…

Beim Christoph meint: 1 von 5 Sics. Ich hab‘ nach den ersten 45 Minuten Lysanda gefragt ob ich den Film nur schlecht finde, weil ich die Vorlage kenne oder ob er wirklich scheiße ist. Sie antwortete “Letzteres”. Aber bevor wir nochmal zum Negativen kommen: Es gibt tatsächlich eine positive Seite von The 13th Floor (da steht übrigens besagter Computer – hat sonst keinerlei Bedeutung). Und zwar fand ich es super, dass der Film versucht hat die Folgen für die Identitätseinheiten näher zu beleuchten. Also was passiert eigentlich, wenn sich jemand in die Simulation einklinkt und einen Körper übernimmt. Was hat das für Auswirkungen auf das Leben dieser Einheit? Fuller beispielsweise hurt fleißig rum, wohingegen sein Charakter Grierson seit 35 Jahren seiner Frau treu ist. Da er aber morgens immer häufiger nach Parfüm riecht, denkt sie natürlich er würde fremd gehen (was technisch gesehen ja stimmt). Das ist eine Seite der Medaille, die mich noch weiter interessiert hätte. Stattdessen zwingt Hall Grierson nur dazu sich irgendwie an die fehlende Zeit zu erinnern und damit war das gesamte Thema sofort wieder erledigt. Schade.

Was bleibt ist ein Machwerk, das mit dem Original nur Stichpunkte gemeinsam hat und selbst als eigenständiger Film aus meiner Sicht nicht funktioniert. Der Film hat zwar ein hohes Tempo (die zwei Stunden waren zügig rum) aber das ergibt sich nicht aus der packenden Geschichte, sondern alleine dadurch, dass Sachen einfach übersprungen werden. Vor allem in der ersten Hälfte passiert zu oft einfach irgendwas aus dem Nichts (z.B. die völlig aufgesetzte Liebesgeschichte mit Jane), wird etwas als gegeben angesehen oder ein Charakter hat plötzlich Informationen, die er gar nicht haben könnte. Hall zweifelt übertrieben gesagt schon innerhalb der ersten fünf Minuten daran was real ist und was nicht – dabei hat er noch überhaupt keine Gründe bekommen daran zu zweifeln?! Da bleibe ich als Zuschauer entweder ahnungslos zurück, weil ich die Vorlage nicht kenne oder – wie in meinem Fall – rege mich nur darüber auf wie unlogisch und bescheuert die Umsetzung ist. Finger weg. Welt am Draht* ist definitiv die um Längen bessere Fassung.

Hattet ihr auch schon einmal das Gefühl, dass die Welt um euch herum nicht echt ist? Dass ihr nur Teil eines Spiels oder anderer Art von virtueller Umgebung seid? Teil der Matrix, wie es vor allem in Verschwörungskreisen so schön heißt – zumindest seit 1999 der gleichnamige Film die Welt eroberte? Euer Tun und Denken von einer fremden Macht gesteuert wird (wahlweise Gott oder Bill Gates)? Ja? Dann seid ihr damit definitiv nicht allein.

Schon seit der Antike gibt es Theorien zum sogenannten Makrokosmos. Fast alle Religionen fußen auf dem Gedanken, dass es “da oben” ein oder mehrere Wesen gibt, die unser Leben beeinflussen. Und entsprechend ist das Thema auch in der Unterhaltungsbranche schon immer präsent. In der Gutenberg-Datenbank findet ihr beispielsweise Stanley G. Weinbaums Pygmalions Brille von 1935. Die Kurzgeschichte ist eine der ersten, die sich mit dem Thema “Virtuelle Realität” beschäftigte.

Heute möchte ich euch dahingehend ein Werk von Daniel Francis Galouyes vorstellen. Obwohl die Wachowskis es übrigens nie explizit als Inspiration für ihren Mehrteiler genannt haben, gibt es doch verdächtig viele Parallelen. Damit meine ich nicht das offensichtliche (eine Welt in einer Welt und die dort lebenden Personen wissen von Nichts), sondern vor allem Kleinigkeiten wie z.B. Telefone in der virtuellen Realität, die für den Übergang einer Person aus der realen Welt dienen.

(Cover)

Simulacron-3/Welt am Draht* (1964, 233 Seiten) – In einer nicht näher datierten Zukunft wird die Welt gefühlt hauptsächlich von Marktforschern bevölkert. Sie können euch zu jeder Tages- und Nachtzeit und zu jedem Thema befragen und ihr seid gesetzlich gezwungen mitzumachen. Verweigert ihr die Teilnahme an der Umfrage, gibt es eine Geldstrafe. Keine schöne Vorstellung aber es scheint notwendig, damit die Welt funktioniert oder so und alle haben sich damit abgefunden. Okay, nein natürlich nicht. Bei der TEAG (“Test AG”) haben sie unter der Leitung des Forschers Hannon Fuller einen Simulator gebaut – der namensgebende Simulacron-3. In ihm wurde eine virtuelle Stadt erschaffen, bevölkert von mehreren tausend Charakteren, die der echten Welt zum verwechseln ähnlich sieht. Muss sie ja, schließlich möchte man Daten sammeln, um darauf basierend Entscheidungen in der Realität zu treffen. Eine Ablösung für die Marktforscher quasi, die das nicht so dufte finden. Entsprechend setzen sie alles daran die offizielle Inbetriebnahme zu stoppen.

Die Wissenschaftler können die Geschehnisse in der Welt dabei nicht nur an ihren Bildschirm und über Auswertungen verfolgen, sondern auch selbst darin eintauchen. Dies kann auf verschiedene Arten passieren. Die einfachste ist als Zuschauer in einen Körper zu schlüpfen (=man sieht aus den Augen der Person). Die nächste Stufe ist eine empathische Verbindung aufzunehmen (=ihr spürt Gedanken, Gefühle, etc.). Und die radikalste Variante ist es vollständig als Charakter in die Welt einzutauchen (=die Telefonsituation).

Während Fuller ganz der Forscher ist und den Simulator zur Besserung der Menschheit verwenden möchte, hat der Chef der TEAG eher wirtschaftliche Interessen und möchte das Gerät zum Geldscheffeln und Machtausbau ausbeuten. Entsprechend haben sich die beiden in den Haaren bis eines Tages Fuller plötzlich durch einen Unfall stirbt. Die Geschichte beginnt auf der Party anlässlich der Ernennung seines Nachfolgers, Douglas Hall. Dieser trauert um seinen Kollegen und amüsiert sich eher wenig bis plötzlich der Sicherheitschef von TEAG, Morton Lynch, reinstürmt und unbedingt mit ihm reden möchte. Er faselt etwas davon, dass Fuller ermordet wurde, weil er hinter ein großes Geheimnis gekommen ist. Bevor Lynch jedoch Douglas genaueres erzählen kann, verschwindet dieser einfach – und niemand außer Douglas kann sich plötzlich mehr an ihn erinnern. Es ist der Beginn von Halls Reise hinter den Spiegel. Immer mehr Dinge fallen ihm auf, die irgendwie nicht zusammenpassen. Er fängt an die Realität in Frage zu stellen und zu vermuten, dass er selbst Teil eines Simulators ist. Und – es ist nicht wirklich ein Spoiler – natürlich hat er recht. Außerdem bekommt er plötzlich häufiger Kopfschmerzen und Schwindelanfälle. Was sich dahinter verbirgt verrate ich aber nicht :smile: .

Beim Christoph meint: Von mir gibt es 3 von 5 Sics. Ich wollte ursprünglich vier Sics geben aber im letzten Drittel fällt die Qualität massiv ab. Gefühlt wollte der Autor unbedingt die Sache noch dramatischer werden lassen. Im Ergebnis leidet die Erzählung hingegen am plötzlichen Anstieg von abstrusen Szenarien statt einfach zügig zum Ende zu kommen. Unabhängig davon lässt sich die erste Hälfte des Buches unter dem Begriff “Was ist real?” zusammenfassen, während die zweite unter der Überschrift “Was macht das Wissen nicht real zu sein mit einem?” steht.

Als Leser erlebt man Halls stetigen Abstieg in die absolute Paranoia, die darauffolgende verzweifelte Erkenntnis , dass er Recht hatte und abschließend die Hoffnungslosigkeit, dass das Leben offensichtlich keinen Sinn hat. Bis zu besagtem letztem Drittel eine spannende Erzählung. Und zwar auch dann, wenn man den Twist bereits kennt. Das Interessantere ist zu erfahren wie er es herausfindet und damit umgeht. Und in der heutigen Zeit, in der selbst normale Leute mit Begriffen wie “Sheeple” und “Aufwachen” um sich werfen, ist der Roman vermutlich aktueller denn je – nur vermutlich aus den falschem Gründen.

Der Fernsehfilm

Simulacron-3 wurde seit seiner Veröffentlichung bereits zweimal verfilmt. Von Josef Rusnak kam 1999 (ein paar Monate nach The Matrix – schlechtes Timing) The Thirteenth Floor* in die Kinos. Er soll wohl nicht wirklich gut sein und zudem stark von der Vorlage abweichen. Habe ihn aber noch nicht selbst gesehen. Dafür aber die deutsche Verfilmung:

(Cover)

Welt am Draht* (1973, zweiteiliger Fernsehfilm, DV) – Das Multitalent Rainer Werner Fassbinder (Regisseur, Schauspieler, Drehbuchautor, Komponist, etc.) steckt hinter diesem Machwerk und es hat lange gedauert, bevor es wieder zugänglich wurde. Erst 2010 gab es eine Restaurierung und eine damit einhergehende Veröffentlichung auf DVD und Blu-ray. Davor kam er nur sehr, sehr selten mal im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Grundsätzlich ist die Geschichte sehr nah an der Vorlage und folgt dieser weite Strecken sogar dialog-genau. Zwar wurden die Namen eingedeutscht – so heißt Douglas Hall z.B. im Film Fred Stiller und Hannon Fuller ist jetzt Henry Vollmer. Aber Leser finden sich sofort zu recht. Je weiter die Geschichte fortschreitet, desto größer werden allerdings die Abweichungen. Die ganze Sache mit den Meinungsforschern kommt zum Beispiel nur am Rande vor, entsprechend fehlen einige Nebenschauplätze aus dem Buch. Außerdem ist die Welt “normaler”. SciFi-Elemente wie Laserwaffen oder fliegende Auto gibt es nicht – dafür aber ein Tastentelefon, welches erst drei Jahre später auf den deutschen Markt kam. Die größte Änderung dürfte aber der Weg zum Finale sein, den wie oben erwähnt der Autor (aus meiner Sicht) unnötig in die Länge gezogen hat. Fassbinder hingegen hat den ganzen Kram einfach rausgelassen. Und das tut dem Film definitiv sehr gut, denn die Geschichte ist nicht sonderlich action-geladen und für heutige Aufmerksamkeitsspannen eher langatmig erzählt. Sich auf das Wesentliche zu konzentrieren war entsprechend die richtige Entscheidung.

Beim Christoph meint: Von mir gibt es 4 von 5 Sics. Ich habe tatsächlich zuerst den Zweiteiler gesehen und mir dann aus Interesse das Buch geholt. Nachdem ich nun beides erfahren habe, kann ich festhalten: Ich finde Fassbinders Interpretation besser als das Original. Zwar leidet der ein oder andere Erzählstrang darunter, dass die Detailtiefe fehlt (Stichwort Meinungsforscher und das dazugehörige Finale vor dem Sitz der Firma). Aber unterm Strich profitiert die Geschichte sehr davon, dass das ganze “Fett” weggeschnitten wurde (vor allem das erwähnte letzte Drittel des Buches) und stattdessen ganz und gar Halls bzw. Stillers Reise im Mittelpunkt steht.

Ich finde auch genial, wie Fassbinder und sein Team den Film in Szene gesetzt haben. Trotzdem, dass die offensichtlichen SciFi-Elemente der Vorlage fehlen, wirkt das Werk von Anfang an befremdlich und komisch. Passt logischerweise perfekt zum Thema und lässt auch den Zuschauer sich fragen ob das jetzt real ist oder nicht. Das liegt jedoch weniger am Setdesign, welches zwar hier und da etwas abgefahren ist aber insgesamt doch größtenteils zu den 60iger/70iger Jahre passt. Stattdessen ist es eher die schauspielerische Leistung (im positiven Sinn), die teils befremdlich wirkt sowie die Kameraeinstellungen. Lysanda und ich hatten sogar zuerst die Vermutung, dass Stiller in einer Welt voller Roboter lebt, so unwirklich und apathisch kommt die Beförderungsfeier daher. Sehr coole Sache und definitiv ein Film, den ich Cyberpunk-Fans ans Herz legen kann. Erwartet nur wie gesagt keine beeindruckende Kung-Fu-Schlacht. Es ist ein Charakterfilm, kein Actionstreifen.

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