Sicarius

Die nächste Sternenreise, Teil 3

(Cover)

Neue Uniformen (höherer Schwarzanteil, um die Gesichter mehr zu betonen – und zumindest die Männer bekamen Zweiteiler statt Strampelanzüge), neues Intro (die Enterprise kommt nicht mehr aus unserem Sonnensystem, sondern aus der Milchstraße – quasi, um zu zeigen, wie weit entfernt von der Erde die Crew tätig ist) und die Rückkehr von Gates McFadden als Dr. Beverly Crusher. Die 3. Staffel Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert* macht von der 1. Szene an klar: Es hat sich was signifikant geändert. Und im Verlauf der wieder 26. Folgen wird mehr als deutlich, dass es hin zum Besseren war. Das war jedoch nur möglich, weil auch im Hintergrund nicht alles beim Alten blieb, sondern der erste größere Personalumbau der Serie stattfand. Der zweite kam dann bei der nächsten Staffel.

Das Szepter wird abgegeben

Der wohl wichtigste Faktor: Gene Roddenberry war gesundheitlich auf dem absteigenden Ast. Ich weiß, dass klingt total scheiße und man soll ja nur Gutes über Verstorbene reden und so. Aber zumindest in Bezug auf Star Trek ist aus meiner persönlichen Zuschauersicht heraus die Realität schlicht und einfach, dass Gene seiner eigenen Kreation von Anfang an im Weg stand. Sicherlich hat er damit immer gute Absichten verfolgt, so ist es nicht. Aber gute Geschichten und damit unterhaltsames Fernsehen lässt sich mit den vielen Einschränkungen, die er auferlegte, nur schwerlich realisieren. Hardcore-Fans von Raumschiff Enterprise dürfen wie immer eine Nummer ziehen und sich in einer geordneten Schlange aufstellen, um mir die Meinung zu geigen.

Und das beste Beispiel dafür, dass ich (und viele andere) mit dieser Ansicht irgendwie Recht haben, ist der massive Qualitätssprung zwischen Staffel 2 und Staffel 3 von Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert. Es ist die erste Staffel bei der Rick Berman, nach dem Rausschmiss von Maurice Hurley, vollständig die Zügel in die Hand nahm. Ab diesem Zeitpunkt bestimmte faktisch er die Entwicklung des nächsten Jahrzehnts von Star Trek (mit hier und da etwas Unterstützung) – größtenteils erfolgreich, würde ich sagen. Freilich war Berman nicht perfekt und hat in seiner Zeit ebenfalls so einige fragwürdige Entscheidungen getroffen und Fortschritt verhindert. Über die erste reden wir aber erst in Staffel 5. Ich weiß, ich bin gemein… :tongue:

Eine andere Personalentscheidung, die signifikanten und äußerst positiven Einfluss auf die weitere Entwicklung des Franchises haben würde, war die Einstellung von Michael Piller als oberster Schreiberling. Außerdem erwähnenswert, obwohl er es bei Picards Crew nur eine Staffel aushielt (“Es gab zu viele Regeln und Vorgaben, die meine Kreativität einschränkten.”): Ira Steven Behr, über den wir dann bei Star Trek: Deep Space Nine mehr erfahren werden. Und auch Drehbuchautor Ronald D. Moores Star-Trek-Karriere begann mit der dritten Staffel von Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert. Außerdem wurde die ein oder andere Beförderung ausgesprochen. Aber keine Angst, wenn euch all die Namen nichts sagen: Relevant ist am Ende des Tages nur, dass dank ihnen (und einigen anderen) in Verbindung mit dem Wegfallen sehr vieler einschränkender Regelungen, die Drehbücher sowie die Produktionsqualität der Serie signifikant besser wurden.

Die Schauspieler

Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert (Screencap)

Doch nicht nur hinter den Kulissen rumorte es, auch die Leute vor der Kamera waren an den Änderungen beteiligt. Schließlich sind sie mittlerweile schon in ihre Rollen reingewachsen. Allen voran Aushängeschild der Serie Sir Patrick Stewart, dem besonders viel Gehör geschenkt wurde. Wäre schließlich fatal gewesen, wenn der Kapitän plötzlich den Hut nehmen würde. Seine Forderungen für Staffel 3 waren angeblich folgende: Neue Uniformen, mehr Action (vor allem für seinen Charakter) und die Rückkehr von Beverly Crusher (inkl. der dazugehörigen Entlassung von Diana Muldaur). Und was soll ich sagen? Alle drei seiner Wünsche wurden vollumfänglich erfüllt und machten Staffel 3 faktisch zu den Abenteuern von Picard. Was ich aber definitiv nicht negativ meine! Mehr Action gab es vorher wohl nicht, weil Roddenberry absolut dagegen war. Scheinbar hat ihn Kirk so versaut, dass er keinen kämpfenden Kapitän mehr haben wollte. Keine Ahnung. Wie gesagt: Von außen betrachtet wirkt der Mann echt in vielerlei Hinsicht sehr komisch…

Außerdem trat Jonathan Frakes in dieser Staffel erstmals hinter die Kamera. Er saß für die 16. Folge, Datas Nachkomme, auf dem Regiestuhl – und hat offensichtlich Gefallen an der Tätigkeit gefunden. Mit großem Erfolg würde ich sagen. Freilich ist ein Regisseur ein Stück weit nur so gut wie das Drehbuch, das er verfilmen soll. Aber unter Frakes sind über die Jahre viele gute Star-Trek-Folgen und -Filme entstanden. Und er war dahingehend ein Vorbild für die anderen Crewmitglieder, die sich dann mitunter auch mal raustrauten und so neue Talente entdeckten. Der fleißigste war dahingehend bislang LeVar Burton, der 28 Folgen über vier Serien hinweg Regie geführt hat. Gefolgt von Frakes, der für 22 Folgen in fünf Serien sowie zwei Kinofilme im Stuhl Platz nahm. Hier gibt es die vollständige Liste zum Thema, falls es euch interessiert.

Etwas Geschimpfe

Jetzt habe ich anderthalb Seiten um das Drumherum geredet. Kommen wir also endlich mal zum eigentlichen Inhalt der dritten Staffel. Und damit ich ihn gleich aus dem Weg habe, hier mein größter Negativpunkt nicht nur dieser Staffel: Die massive Abneigung gegen Doppelfolgen, die damals immer noch im Fernsehen vorherrschte und/oder der Zwang einschneidende Änderungen in den letzten Minuten einer Folge sofort wieder zurückzudrehen. Bestes Beispiel ist für mich genau Frakes Regiedebüt, Datas Nachkomme. Gerade als es wirklich anfängt interessant und spannend zu werden (Lal soll von der Sternenflotte eingesackt werden und bekommt plötzlich Emotionen) wird auf die Uhr geschaut (oder der Drehbuchautor hat Panik bekommen, weil er sich in eine Sackgasse geschrieben hat) und diese ruckzuck wieder zurückgedreht. Und zwar auf eine irgendwie ziemlich dämliche Art und Weise (die angedeutete, misslungene Operation).

Ja, Datas Tochter am Leben zu erhalten wäre sicherlich ein ziemlich schwieriger Spagat gewesen. Entsprechend war ihr Tod unausweichlich. Aber sie hatte bis dahin dennoch noch einiges an Potential, das man total bekloppt abgewürgt hat. Zum einen in Bezug auf die am Ende unbeantwortete Frage nach ihrer Erziehung und vermutlich auch ihrem Bürgerstatus. Zum anderen das Thema mit den plötzlich aufkommenden Emotionen und wie sie ggf. damit lernt umzugehen sowie was das mit Data gemacht hätte. Noch einmal Q ist ein zweites Beispiel für eine Folge, die aus meiner Sicht stark unter dem “45 Minuten inkl. Werbung – mehr nicht!”-Mantra gelitten hat. Das ging mir einfach alles viel zu schnell. Und obwohl es technisch gesehen schon Staffel 4 ist: Angriffsziel Erde, die Auflösung des Finales der 3. Staffel, ist am Ende ebenfalls viel zu “zack-zack alles wieder gut”. Warum wurde beispielsweise plötzlich die Selbstzerstörung des Borg-Kubus aktiviert? Und wieso ist dann Picard von einer Sekunde auf die andere wieder 100% der Alte? Da hätte ich mir entweder noch eine weitere Folge oder zumindest einen kleinen Zeitsprung um z.B. 1-2 Monate gewünscht, um es etwas glaubwürdiger zu machen.

Ach und die Wesley-Folgen wie der Staffeleinstieg Die Macht der Naniten versprühen erneut nur wenig Charme. Kein Wunder, dass Will Wheaton am Ende der Staffel darum bat aus der Serie geschrieben zu werden.

Die guten Seiten

Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert (Screencap)

War Staffel 2 noch ein Mix aus Höhen und (sehr tiefen) Tiefen, hat Staffel 3 aus meiner Sicht keine grottig-schlechte Folge. Ja, die Geburt von Jesus (Wer ist John?) oder das Energiewesen mit Mutterinstinkten (Mutterliebe) sind jetzt nicht die absoluten Höhepunkte aber selbst sie werfen interessante Fragen auf und sind alles in allem gute Unterhaltung. Gleichzeitig gibt es sehr viele wirklich fantastische Episoden, die mitunter sogar den Grundstein für den ein oder anderen roten Faden legen.

So hat Data in Die Macht des Paragraphen seinen ersten diplomatischen Einsatz, der ihn an die Grenzen seines Maschinendenken bringt. Die Romulaner sind endlich präsenter wie z.B. in Auf schmalem Grat. In Die Sünden des Vaters findet Worfs Entehrung statt, die noch bis tief in Star Trek: Deep Space Nine Folgen haben wird und uns nicht nur erstmals den (noch namenlosen) klingonischen Heimatplaneten zeigt, sondern auch mehr von ihrer Kultur. Die alte Enterprise produziert zwar einige Logiklücken (Zeitreisen halt…) ist aber dennoch eine inhaltlich wie optisch gelungene Folge mit entscheidenden Auswirkungen. Und Botschafter Sarek zeigt uns nicht nur wieder eine neue und sehr interessante Seite der Vulkanier, sie bricht auch endlich Roddenberrys Tabu Anteile der ursprünglichen Serie nicht aufzugreifen. Und natürlich darf das Staffelfinale, In den Händen der Borg, nicht unerwähnt bleiben. Es ist zwar nicht so gut, wie ich es in Erinnerung hatte. Vor allem, weil die Borg damals noch etwas anders und langweiliger waren. Aber das schadet dem Unterhaltungswert nur wenig.

Das Drehbuch dafür stammte übrigens von besagtem Michael Piller, der sich seinen Angaben zufolge bewusst in eine massive Sackgasse geschrieben hatte. Deswegen war sie so überraschend und der Cliffhanger so fulminant. Er wusste vor Produktionsbeginn der 4. Staffel angeblich nicht, wie er den aufgelöst bekommt. Und ehrlich gesagt: Ganz gelungen ist es ihm auch nicht. Angriffsziel Erde ist zwar insgesamt eine sehr gute Folge aber den Versprechungen des Staffelfinales wird sie aus meiner Sicht nicht ganz gerecht.

Fazit

In meinem Eintrag zur zweiten Staffel war ich mir noch nicht so sicher, ob die dritte Staffel vollständig würde überzeugen können. Meine Erinnerungen waren zu schwach daran. Jetzt kann ich nur festhalten: Die Bedenken waren völlig unbegründet. Lysanda und ich wurden vorzüglich unterhalten. Ich hätte die Aufzählung der guten, sehenswerten und einflussreichen Folgen im vorherigen Absatz entsprechend noch beliebig fortsetzen können, denn die dritte Staffel ist mit Abzügen in der B-Note durchgängig sehr gute Fernsehunterhaltung, ohne dabei den Kern von Star Trek zu vergessen.

Es werden wieder so einige interessante gesellschaftlich relevante Themen behandelt, alle Charaktere kommen zur Geltung und machen mehr oder weniger Fortschritte, es gibt auch mal lustige Momente/Folgen und der Zuschauer lernt gefühlt in den 26 Folgen sehr viel mehr von diesem Universum kennen als in der gesamten Originalserie. Nur, um mir mal wieder ein paar Feinde zu machen… Das mit der Charakterentwicklung ist übrigens ebenfalls Michael Piller zu verdanken, der zwei Vorgaben für jede Folge machte: “every episode is going to be about a character’s growth. And every episode has to be about something.”. Manchmal braucht es halt nur Leute, die die richtigen Ansagen machen.

Und während ich diese Zeilen schreibe, haben wir schon die erste Blu-ray von Staffel 4 hinter uns. Keine Anime-Pause dieses Mal (und vermutlich bis zum Ende der Serie). Stattdessen bin ich jetzt wirklich endgültig wieder total angefixt und will MEHR UND ZWAR JETZT!!!!!1111elfelf

2 Kommentare

Vielleicht muss ich da doch mal wieder einsteigen. Hab TNG nie komplett gesehen (immer nur mal wieder unzusammenhängend Folgen, die gerade mal im Fernsehen liefen). Ich kenne wahrscheinlich mehr Folgen durch Sinnlos im Weltraum als durch das Original. Gerade hier im Eintrag kamen mir sehr viele Folgentitel gerade daher sehr bekannt vor.

Dann hab ich vor ein paar Jahren mal einen Versuch gestartet, bin aber nicht besonders weit gekommen. Glaube die erste Staffel hab ich mir noch komplett angeschaut, aber in der 2. hat es mich dann sehr früh verloren. Da hätte ich wohl noch ein bisschen mehr Sitzfleisch beweisen müssen, wenn es ab der 3. merklich besser wird.

“Er wusste vor Produktionsbeginn der 4. Staffel angeblich nicht, wie er den aufgelöst bekommt. Und ehrlich gesagt: Ganz gelungen ist es ihm auch nicht.”

Das ist ja etwas, was ich überhaupt nicht ausstehen kann. Lost hat diese Art Storylines zu schreiben ja auf die Spitze getrieben: Sich ständig in absolute Sackgassen geschrieben ohne jemals irgendeinen Plan zu haben irgendwas aufzulösen. Das erzeugt, zugegebenermaßen, am Anfang sehr viel Spannung, hat bei mir aber von Staffel zu Staffel nur den Frust erhöht. Die letzten Staffeln fand ich echt zum Kotzen und ich habe es nur zuende gescahut, weil ich noch das Fünkchen Hoffnung hatte, dass sie es am Ende doch irgendwie alles zusammenbringen (Spoiler: haben sie natürlich nicht).

Sorry, so weit wollte ich gar nicht abschweifen, aber das Trauma sitzt tief. :smile:

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