Das offizielle Logo von PsychOdyssey

Interessiert ihr euch für die Entwicklung von Spielen? Und ihr habt ca. 20 Stunden Zeit? Dann zieht euch unbedingt Double Fine PsychOdyssey rein, die neue Dokumentation von 2 Player Productions. Wie schon damals bei Double Fine Adventure (auch ein Pflichtkonsum!), haben sie wieder ihr Unwesen bei Double Fine Productions getrieben und einer von ihnen währenddessen sogar die Seiten gewechselt. Dieses Mal haben sie die komplette Entwicklung von Psychonauts 2 begleitet – von der ersten Konzeption 2015 bis zur Veröffentlichung 2021.

Über 32 Folgen hinweg bekommt ihr einen ungeschminkten Einblick hinter die Kulissen. Ihr seht alle Höhen und Tiefen, die das Spiel und die Leute dahinter durchlaufen haben. Am Ende bleibt ihr verwundert zurück, wie trotz all dem Chaos ein so gutes Spiel rauskommen konnte. Allein wie viel Glück das Studio in Bezug auf die Länge der Entwicklung hatte ist der Wahnsinn. Selbst Corona war ein absoluter Segen für Psychonauts 2, weil sie trotz aller damit verbundenen Widrigkeiten so noch mehr Zeit bis zum Release bekamen. Wäre es wie geplant 2019 veröffentlicht worden – alter Schwede, das wäre ein Desaster gewesen. Gleichzeitig haben sie über die Jahre nicht nur aufgrund von absolutem Missmanagement (anders kann man es nicht nennen) haufenweise Talent verloren – teilweise Leute, die seit der ersten Stunde des Studios dabei gewesen waren -, sondern viele Levels oft mehrfach komplett über den Haufen werfen und neu anfangen müssen. Nach dem Schauen der Dokumentation verstehe ich definitiv wie mein Kritikpunkt, “nicht so schräg wie Teil 1”, zustande gekommen ist. Sie hatten faktisch gar keine Zeit zu extrem von der Norm abzuweichen. Sie waren froh überhaupt was spielbares zu haben, das wie Psychonauts aussieht und sich so spielt. Echt krass.

Mein einziger Kritikpunkt an der Dokumentation ist, dass es am Ende zu schnell geht. Die finalen Monate der Entwicklung (2020 und 2021) werden – vermutlich wegen Corona – ziemlich schnell abgehandelt. Außerdem vermisse ich eine Folge zu den Nachwehen. Es endet stattdessen mit der Releaseparty. Aber das sind wirklich nur Kleinigkeiten. Ansonsten ist Double Fine PsychOdyssey ein absoluter Knaller und es gibt bislang nichts Vergleichbares. Unbedingt anschauen! Ich hoffe derweil inständig, dass Microsoft als neuer Besitzer der Sache keinen Riegel vorschiebt und wir auch beim nächsten Tim Schafer-Titel wieder in den Genuss solcher Aufnahmen kommen.

(Cover)

Es ist erstmal nicht ungewöhnlich, dass in unserem Haus unerwartet Lieferungen eintreffen. Nicht jede Crowdfunding-Kampagne ist leider so kommunikativ und kündigt an, wenn etwas verschickt wurde. Und selbst wenn: Lieferungen z.B. aus den USA verschwinden gefühlt kurz nach dem Versand in einem schwarzen Loch und kommen dann (meistens) irgendwann wieder in Deutschland vor meiner Haustür zum Vorschein – wo Deutsche Post oder DHL dann die Zollgebühren mit einem saftigen 6€-Zuschlag kassieren möchte. Und zwar auf den Cent genau, weil der Bote nicht wechseln kann. Leute, lasst mich verdammt nochmal selbst entscheiden, ob ich zum Zollamt fahren möchte oder nicht! Das ist doch für alle Beteiligten scheiße!!!1111elf

Naja, egal. Heute kam auf jeden Fall mal wieder so eine unerwartete Lieferung. Allerdings nicht zu einer Crowdfunding-Kampagne, sondern ein kleines Andenken an meinen Bildungsurlaub 2022. Zur Erinnerung: Wir waren dort künstlerisch sehr aktiv und haben zu verschiedenen Themen und unterschiedlichstem Material einige Bilder produziert. Die Kursleiterin hat im Anschluss (soweit wir als Teilnehmer ihr das erlaubt haben) ein paar dieser Fotos hergenommen, sie auf verschiedene Arten und Weisen bearbeitet und daraus ein kleines Fotobuch gebastelt. Und genau dieses Fotobuch lag heute im Briefkasten.

Bei 17 Teilnehmern und mehr als ein Dutzend Fotos pro Person konnte sie zwar nicht alle verwenden, aber sie hat sich Mühe gegeben. Entsprechend haben auch von mir ein paar ihren Weg ins Buch gefunden und ich muss ehrlich zugeben: Das ist eine richtig coole Sache und tolle Idee. Passt natürlich nicht zu jeder Art von Bildungsurlaub aber, wenn dann ist es nicht nur eine schönere Erinnerung daran. Es verleiht dem eigenen Tun auch irgendwie etwas mehr „Gewicht”.

Ja, das ist selbstverständlich eine Illusion. Meine Hautabdrücke werden jetzt nicht morgen im Louvre ausgestellt nur, weil sie in einem selbstgemachten Fotobuch drin sind. Aber das Gefühl ist schon irgendwie da, dass meine Werke was Besonderes sind :smile: . Abgedruckt auf hochwertigem Papier und in einem einzigartigen Buch (gibt es ja nur 18 Mal) wirkt das definitiv nochmal ganz anders als in Form eines digitalen Fotos auf unserem NAS (und bei deviantART). Also an alle Kursleiter dort draußen: Gerne ein Beispiel daran nehmen!

Mass Effect: The Complete Comics (Cover)

Elf Jahre ist es mittlerweile her, seit ich das letzte Mal einen Mass Effect-Titel gestartet habe (damals kam der Extended Cut zu Mass Effect 3 raus). Ja, Mass Effect Andromeda* sowie die Mass Effect Legendary Edition* stehen zwar im (digitalen) Regal aber angefasst habe ich beide bislang noch nicht. “Traue” mich vermutlich aktuell nicht sowas episches anzufangen :smile: . Was ich aber gemacht habe, ist endlich mal die Comic-Ableger von Dark Horse Comics zur Serie zu lesen. Die gibt es seit einiger Zeit gesammelt als Mass Effect: The Complete Comics* in Taschenbuchform.

Letzteres ist etwas… ungünstig, denn es sind insgesamt 800 Seiten. Und ein Taschenbuch im Format 260x170mm mit so viel Umfang ist absolut unhandlich. Da fallen einem die Arme ab, wenn man versucht das z.B. im Bett zu lesen. Aber gut: Irgendwie habe ich es ohne dauerhafte Schäden hinbekommen. Inhaltlich erwarten euch hauptsächlich Geschichten, die vor Mass Effect 2 angesiedelt sind. Ihr wisst schon: Die Suche nach Shephards Leiche und was so eure späteren, potentiellen Crewmitglieder in ihrem vergangenen Leben getrieben haben. Der Shadowbroker, Cerberus und Omega-Station sind die am häufigsten wiederkehrenden Akteure. Das letzte Heft beschäftigt sich hingegen mit der Vorgeschichte von Mass Effect Andromeda.

Der Inhalt

Der Stil der Comics ist typisch Amerikanisch. Wer also schon einmal einen moderneren Superheldencomic von Marvel oder DC gelesen hat, weiß was ihn erwartet. Ich persönlich bin nicht der ganz große Fan davon (mir ist der Stil zu hart und grimmig) aber objektiv betrachtet sind die Zeichnungen detailliert, sprich die Charaktere und ihre Emotionen kommen gut zur Geltung und auch die Action ist ansprechend in Szene gesetzt. Nur selten musste ich genauer hinschauen, um zu verstehen, was eigentlich gerade passiert ist.

Mein größtes Problem mit dem Mammutwerk ist deshalb ein anderes: Es erwartet faktisch, dass ihr im Minimum Mass Effect 2 gespielt habt. Das macht insofern Sinn, dass es sich ja technisch gesehen um Begleitmaterial für Fans handelt. Da mein Durchlauf aber mittlerweile 13 Jahre her ist, fehlen mir dann doch so einige Zusammenhänge. Natürlich ist mir bei den wichtigsten Charakteren wie Miranda, Cerberus oder Liara T’Soni noch ein bisschen was im Kopf. Aber eben nicht so ganz die tiefen Details. Und bei allem anderen wird es noch schwammiger von wegen “sollte ich den kennen”? Und auch dazugehörige Situationen, auf denen die Geschichten aufbauen, sind mir nicht mehr ganz so präsent. Sprich, die Erzählungen haben durchaus das Problem auf eigenen Beinen zu stehen. Zwar braucht es für Blasto: Eternity is Forever nur die Grundkenntnis darüber, was ein Hanar ist, um es lustig zu finden einen als Pseudo-James-Bond zu erleben. Aber, wenn es beispielsweise in Foundation um die Hintergrundgeschichten der Begleiter geht, fehlte mir nach all der Zeit durchaus einiges an Zusammenhang, um wirklich reinzukommen.

Insofern: Für Fans, deren Erinnerung an die Serie noch frisch ist, sicherlich eine geile Sache, um noch tiefer in das Universum einzutauchen. Ich hingegen muss wohl erstmal wieder die Spiele spielen, bevor ich ein abschließendes Urteil über die Comics fällen kann. Ein schlimmes Los, ich weiß…

Anfang Januar hatte ich euch von Simulacron-3 erzählt und in einem Nebensatz erwähnt, dass es noch eine zweite Verfilmung des Romans gibt. Passenderweise hatte medimops vor kurzem mal wieder eine Rabattaktion und besagter Film landete im Warenkorb. Am Wochenende war es dann soweit und wir haben uns das Machwerk “angetan”:

(Cover)

The 13th Floor* (1999, DV) – Auf dem Cover steht riesengroß “Roland Emmerich” drauf. Er ist zwar jetzt nicht für die allerbesten Filme bekannt aber ein paar Hits hat er in seinem Leben durchaus hinbekommen und zumindest für seichte Unterhaltung reicht es meistens. Blöd nur, dass es irreführende Werbung ist. Er war nur einer der Produzenten des Films. Im Regiestuhl saß stattdessen Josef Rusnak, der auch das Drehbuch geschrieben hat. Sein Name ist weder auf der Vorder- noch auf der Rückseite der DVD-Hülle zu finden… Schlechte Vorzeichen. Aber gut, worum geht es?

Achtung: Ich nehme keine Rücksicht auf Spoiler. Ist sowieso eher unwahrscheinlich, dass ihr euch das Machwerk irgendwann mal anschauen werdet.

Wir schreiben das Jahr 1999. Die Hauptcharaktere sind Hannon Fuller und Douglas Hall, die einen Simulator gebaut haben. Darin ist eine virtuelle Welt voll mit Identitätseinheiten. Soweit, so stimmig zur Vorlage. Statt die reale Welt zu simulieren, um Marktforschung zu betreiben, hat Fuller jedoch eine Stadt aus dem Jahre 1937 nachgebaut. Warum? Weil vermutlich der Drehbuchautor das Setting spannend fand oder so. Relevant für die eigentliche Geschichte ist es überhaupt nicht. Die Erklärung im Film ist jedoch, dass es Fullers Geburtsjahr wäre. Okay, von mir aus. Fuller – so stellt sich relativ schnell heraus – besucht diese Welt häufig. Hauptsächlich, um sich mit jungen Mädels zu vergnügen. Dazu schlüpft er in die Haut eines gewissen Grierson, der ihm zum Verwechseln ähnlich sieht (und verheiratet ist…).

So Mysteriös!

Der Film beginnt ganz mysteriös damit, dass Fuller einen Brief an Hall schreibt von wegen “ich hab‘ ein Geheimnis entdeckt und man wird mich dafür umbringen”. Er befindet sich gerade in der Simulation und übergibt den Brief anschließend an den Barkeeper im Hotel. Ein total vertrauenswürdiger Kerl, der sich selbstverständlich sofort daran macht ihn zu öffnen und zu lesen. Währenddessen kehrt Fuller in seine Welt zurück, geht in eine Bar (in der er scheinbar vorher noch nie war…) und spricht Hall auf den Anrufbeantworter von wegen “ich hab‘ dir im Computer eine Nachricht überlassen”. Während des Telefonats taucht plötzlich jemand auf und ermordet Fuller. Die Perspektive wechselt nun zu Douglas Hall. Dieser findet blutige Klamotten im Mülleimer seines Badezimmers, kann sich aber an nichts erinnern.

Ein knallharter 08/15-Detektiv befragt Hall (und verdächtigt ihn selbstverständlich insgeheim) als sie in Fullers Apartment plötzlich auf Jane Fuller treffen. Hall kennt Jane nicht, ist aber sofort von dieser Schönheit mächtig angetan und will sie im Prinzip ohne Umwege ins Bett zerren *augenroll*. Es kommt heraus, dass Fuller sein Testament vor zwei Tagen geändert und die Firma an Hall übertragen hat (=klares Motiv. Fall gelöst!). Es folgt ein kleiner Abstecher in dem es um einen Barkepper geht, der den Mord an Fuller gesehen hat – es war Hall (wie überraschend…). Der Detektiv offenbart außerdem, dass Fuller Hall angerufen hat und der geht endlich seinen Anrufbeantworter richtig abhören. Danach entscheidet er sich selbst in die Simulation einzusteigen.

Eine Aktion, die er scheinbar noch nie selbst gemacht hat und total gefährlich und so ist. Er streitet sich sogar mit Programmierer Jason Whitney intensiv darüber ob er ihn jetzt für 90 oder 120 Minuten reinlässt. Und auch dem Zuschauer versucht der Regisseur absolut klar zu machen wie wichtig dieses Zeitlimit ist. Bloß nicht vergessen! Warum es Fuller offensichtlich schon mehrfach ohne Probleme (und vermutlich längere Zeit) gemacht hat? Stellt doch nicht solche Fragen…

Schwer zu ertragen

The 13th Floor (Columbia Pictures Promobild)

Nach einer billigen 80iger Jahre Lasershow schlüpft Hall also in die Rolle von John Ferguson, den Fuller scheinbar nach Halls Ebenbild erschaffen hat und ist total “geflasht” von dem was er erlebt. “Woah, das fühlt sich so real an” etc. Eine total bekloppte Sequenz aber irgendwie muss man ja die Laufzeit in die Länge ziehen. Naja, er landet irgendwie beim Barkeeper, der ihn aber anlügt. Dann spielt das System kurz vor Ablauf der 120 Minuten verrückt und Hall landet wieder in der “realen” Welt. Es folgt so viel unzusammenhängender Schwachsinn, dass ich gar keine Lust habe ihn hier detailliert wieder zu geben. Deswegen nur die wichtigsten Highlights:

  • Hall versucht die Charaktere in der simulierten Welt dazu zu bringen sich an das zu erinnern, was sie während ihrer Kontrolle durch Fuller getan haben und der Barkeeper wird als Briefempfänger identifiziert.
  • Der Barkeeper ist in der Zwischenzeit an die Grenze der virtuellen Welt gefahren, kann mit dieser Erkenntnis nicht umgehen und versucht Hall nun zu töten.
  • Hall entkommt dank Whitney gerade so aus der Simulation. Er hatte nämlich vergessen den Timer zu stellen. Etwas, worauf der Zuschauer ebenfalls sehr häufig und sehr genau hingewiesen wurde während Hall in die Simulation eingestiegen ist. Alter Schwede, für wie dumm kann man sein Publikum eigentlich halten?
  • Der Detektiv stellt fest, dass Jane nicht existiert und Hall findet an einer Supermarktkasse eine Natasha Molinaro, die sich nicht an ihn erinnern kann. Ein paar Minuten später sieht man den Transfer von Jane in Natashas Körper. Wenn der Zuschauer nicht total bekloppt ist, weiß er spätestens jetzt, dass Halls Welt nicht real ist.
  • Hall fährt ebenfalls an das Ende der Welt und findet eine total hippe Rasterdarstellung wieder. Habe ich schon erwähnt, dass im gleichen Jahr The Matrix in die Kinos kam?!
  • Anschließend treffen sich Hall und Jane in seinem Apartment, sie enthüllt ihm die ganze Wahrheit und es folgt eine Runde (implizierter) Sex… *noch mehr augenroll*
  • Derweil geht der Programmierer auch mal in die Simulation (warum?!), schlüpft in die Rolle des Barkeepers (der nach ihm empfunden ist) und wird vom Bus überfahren. Whitney ist tot, stattdessen wacht der Barkeeper in der realen Welt auf und ist erstmal mit einer Automatiktür überfordert… Der Simulator macht quasi einen Austausch der Gehirne, deswegen dieses Ergebnis. Ebenfalls ein wichtiger Punkt, der dem Zuschauer mehrfach eingehämmert werden muss!
  • Hall wird erneut von seinem User übernommen (der die ganzen Morde begangen hat) und will auch Jane töten. Jane ist aber pfiffig und stattdessen wird Hall vom Detektiv erschossen.
  • Hall wacht im Jahr 2024 auf, ist wieder total geflasht von dem was er dort sieht (ein paar undeutliche Hochhäuer im Wasser). Lernt kurz den echten Fuller kennen und wenn sie nicht gestorben sind, rummeln Jane und Hall noch heute im Strandhaus…

Beim Christoph meint: 1 von 5 Sics. Ich hab‘ nach den ersten 45 Minuten Lysanda gefragt ob ich den Film nur schlecht finde, weil ich die Vorlage kenne oder ob er wirklich scheiße ist. Sie antwortete “Letzteres”. Aber bevor wir nochmal zum Negativen kommen: Es gibt tatsächlich eine positive Seite von The 13th Floor (da steht übrigens besagter Computer – hat sonst keinerlei Bedeutung). Und zwar fand ich es super, dass der Film versucht hat die Folgen für die Identitätseinheiten näher zu beleuchten. Also was passiert eigentlich, wenn sich jemand in die Simulation einklinkt und einen Körper übernimmt. Was hat das für Auswirkungen auf das Leben dieser Einheit? Fuller beispielsweise hurt fleißig rum, wohingegen sein Charakter Grierson seit 35 Jahren seiner Frau treu ist. Da er aber morgens immer häufiger nach Parfüm riecht, denkt sie natürlich er würde fremd gehen (was technisch gesehen ja stimmt). Das ist eine Seite der Medaille, die mich noch weiter interessiert hätte. Stattdessen zwingt Hall Grierson nur dazu sich irgendwie an die fehlende Zeit zu erinnern und damit war das gesamte Thema sofort wieder erledigt. Schade.

Was bleibt ist ein Machwerk, das mit dem Original nur Stichpunkte gemeinsam hat und selbst als eigenständiger Film aus meiner Sicht nicht funktioniert. Der Film hat zwar ein hohes Tempo (die zwei Stunden waren zügig rum) aber das ergibt sich nicht aus der packenden Geschichte, sondern alleine dadurch, dass Sachen einfach übersprungen werden. Vor allem in der ersten Hälfte passiert zu oft einfach irgendwas aus dem Nichts (z.B. die völlig aufgesetzte Liebesgeschichte mit Jane), wird etwas als gegeben angesehen oder ein Charakter hat plötzlich Informationen, die er gar nicht haben könnte. Hall zweifelt übertrieben gesagt schon innerhalb der ersten fünf Minuten daran was real ist und was nicht – dabei hat er noch überhaupt keine Gründe bekommen daran zu zweifeln?! Da bleibe ich als Zuschauer entweder ahnungslos zurück, weil ich die Vorlage nicht kenne oder – wie in meinem Fall – rege mich nur darüber auf wie unlogisch und bescheuert die Umsetzung ist. Finger weg. Welt am Draht* ist definitiv die um Längen bessere Fassung.

Hattet ihr auch schon einmal das Gefühl, dass die Welt um euch herum nicht echt ist? Dass ihr nur Teil eines Spiels oder anderer Art von virtueller Umgebung seid? Teil der Matrix, wie es vor allem in Verschwörungskreisen so schön heißt – zumindest seit 1999 der gleichnamige Film die Welt eroberte? Euer Tun und Denken von einer fremden Macht gesteuert wird (wahlweise Gott oder Bill Gates)? Ja? Dann seid ihr damit definitiv nicht allein.

Schon seit der Antike gibt es Theorien zum sogenannten Makrokosmos. Fast alle Religionen fußen auf dem Gedanken, dass es “da oben” ein oder mehrere Wesen gibt, die unser Leben beeinflussen. Und entsprechend ist das Thema auch in der Unterhaltungsbranche schon immer präsent. In der Gutenberg-Datenbank findet ihr beispielsweise Stanley G. Weinbaums Pygmalions Brille von 1935. Die Kurzgeschichte ist eine der ersten, die sich mit dem Thema “Virtuelle Realität” beschäftigte.

Heute möchte ich euch dahingehend ein Werk von Daniel Francis Galouyes vorstellen. Obwohl die Wachowskis es übrigens nie explizit als Inspiration für ihren Mehrteiler genannt haben, gibt es doch verdächtig viele Parallelen. Damit meine ich nicht das offensichtliche (eine Welt in einer Welt und die dort lebenden Personen wissen von Nichts), sondern vor allem Kleinigkeiten wie z.B. Telefone in der virtuellen Realität, die für den Übergang einer Person aus der realen Welt dienen.

(Cover)

Simulacron-3/Welt am Draht* (1964, 233 Seiten) – In einer nicht näher datierten Zukunft wird die Welt gefühlt hauptsächlich von Marktforschern bevölkert. Sie können euch zu jeder Tages- und Nachtzeit und zu jedem Thema befragen und ihr seid gesetzlich gezwungen mitzumachen. Verweigert ihr die Teilnahme an der Umfrage, gibt es eine Geldstrafe. Keine schöne Vorstellung aber es scheint notwendig, damit die Welt funktioniert oder so und alle haben sich damit abgefunden. Okay, nein natürlich nicht. Bei der TEAG (“Test AG”) haben sie unter der Leitung des Forschers Hannon Fuller einen Simulator gebaut – der namensgebende Simulacron-3. In ihm wurde eine virtuelle Stadt erschaffen, bevölkert von mehreren tausend Charakteren, die der echten Welt zum verwechseln ähnlich sieht. Muss sie ja, schließlich möchte man Daten sammeln, um darauf basierend Entscheidungen in der Realität zu treffen. Eine Ablösung für die Marktforscher quasi, die das nicht so dufte finden. Entsprechend setzen sie alles daran die offizielle Inbetriebnahme zu stoppen.

Die Wissenschaftler können die Geschehnisse in der Welt dabei nicht nur an ihren Bildschirm und über Auswertungen verfolgen, sondern auch selbst darin eintauchen. Dies kann auf verschiedene Arten passieren. Die einfachste ist als Zuschauer in einen Körper zu schlüpfen (=man sieht aus den Augen der Person). Die nächste Stufe ist eine empathische Verbindung aufzunehmen (=ihr spürt Gedanken, Gefühle, etc.). Und die radikalste Variante ist es vollständig als Charakter in die Welt einzutauchen (=die Telefonsituation).

Während Fuller ganz der Forscher ist und den Simulator zur Besserung der Menschheit verwenden möchte, hat der Chef der TEAG eher wirtschaftliche Interessen und möchte das Gerät zum Geldscheffeln und Machtausbau ausbeuten. Entsprechend haben sich die beiden in den Haaren bis eines Tages Fuller plötzlich durch einen Unfall stirbt. Die Geschichte beginnt auf der Party anlässlich der Ernennung seines Nachfolgers, Douglas Hall. Dieser trauert um seinen Kollegen und amüsiert sich eher wenig bis plötzlich der Sicherheitschef von TEAG, Morton Lynch, reinstürmt und unbedingt mit ihm reden möchte. Er faselt etwas davon, dass Fuller ermordet wurde, weil er hinter ein großes Geheimnis gekommen ist. Bevor Lynch jedoch Douglas genaueres erzählen kann, verschwindet dieser einfach – und niemand außer Douglas kann sich plötzlich mehr an ihn erinnern. Es ist der Beginn von Halls Reise hinter den Spiegel. Immer mehr Dinge fallen ihm auf, die irgendwie nicht zusammenpassen. Er fängt an die Realität in Frage zu stellen und zu vermuten, dass er selbst Teil eines Simulators ist. Und – es ist nicht wirklich ein Spoiler – natürlich hat er recht. Außerdem bekommt er plötzlich häufiger Kopfschmerzen und Schwindelanfälle. Was sich dahinter verbirgt verrate ich aber nicht :smile: .

Beim Christoph meint: Von mir gibt es 3 von 5 Sics. Ich wollte ursprünglich vier Sics geben aber im letzten Drittel fällt die Qualität massiv ab. Gefühlt wollte der Autor unbedingt die Sache noch dramatischer werden lassen. Im Ergebnis leidet die Erzählung hingegen am plötzlichen Anstieg von abstrusen Szenarien statt einfach zügig zum Ende zu kommen. Unabhängig davon lässt sich die erste Hälfte des Buches unter dem Begriff “Was ist real?” zusammenfassen, während die zweite unter der Überschrift “Was macht das Wissen nicht real zu sein mit einem?” steht.

Als Leser erlebt man Halls stetigen Abstieg in die absolute Paranoia, die darauffolgende verzweifelte Erkenntnis , dass er Recht hatte und abschließend die Hoffnungslosigkeit, dass das Leben offensichtlich keinen Sinn hat. Bis zu besagtem letztem Drittel eine spannende Erzählung. Und zwar auch dann, wenn man den Twist bereits kennt. Das Interessantere ist zu erfahren wie er es herausfindet und damit umgeht. Und in der heutigen Zeit, in der selbst normale Leute mit Begriffen wie “Sheeple” und “Aufwachen” um sich werfen, ist der Roman vermutlich aktueller denn je – nur vermutlich aus den falschem Gründen.

Der Fernsehfilm

Simulacron-3 wurde seit seiner Veröffentlichung bereits zweimal verfilmt. Von Josef Rusnak kam 1999 (ein paar Monate nach The Matrix – schlechtes Timing) The Thirteenth Floor* in die Kinos. Er soll wohl nicht wirklich gut sein und zudem stark von der Vorlage abweichen. Habe ihn aber noch nicht selbst gesehen. Dafür aber die deutsche Verfilmung:

(Cover)

Welt am Draht* (1973, zweiteiliger Fernsehfilm, DV) – Das Multitalent Rainer Werner Fassbinder (Regisseur, Schauspieler, Drehbuchautor, Komponist, etc.) steckt hinter diesem Machwerk und es hat lange gedauert, bevor es wieder zugänglich wurde. Erst 2010 gab es eine Restaurierung und eine damit einhergehende Veröffentlichung auf DVD und Blu-ray. Davor kam er nur sehr, sehr selten mal im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Grundsätzlich ist die Geschichte sehr nah an der Vorlage und folgt dieser weite Strecken sogar dialog-genau. Zwar wurden die Namen eingedeutscht – so heißt Douglas Hall z.B. im Film Fred Stiller und Hannon Fuller ist jetzt Henry Vollmer. Aber Leser finden sich sofort zu recht. Je weiter die Geschichte fortschreitet, desto größer werden allerdings die Abweichungen. Die ganze Sache mit den Meinungsforschern kommt zum Beispiel nur am Rande vor, entsprechend fehlen einige Nebenschauplätze aus dem Buch. Außerdem ist die Welt “normaler”. SciFi-Elemente wie Laserwaffen oder fliegende Auto gibt es nicht – dafür aber ein Tastentelefon, welches erst drei Jahre später auf den deutschen Markt kam. Die größte Änderung dürfte aber der Weg zum Finale sein, den wie oben erwähnt der Autor (aus meiner Sicht) unnötig in die Länge gezogen hat. Fassbinder hingegen hat den ganzen Kram einfach rausgelassen. Und das tut dem Film definitiv sehr gut, denn die Geschichte ist nicht sonderlich action-geladen und für heutige Aufmerksamkeitsspannen eher langatmig erzählt. Sich auf das Wesentliche zu konzentrieren war entsprechend die richtige Entscheidung.

Beim Christoph meint: Von mir gibt es 4 von 5 Sics. Ich habe tatsächlich zuerst den Zweiteiler gesehen und mir dann aus Interesse das Buch geholt. Nachdem ich nun beides erfahren habe, kann ich festhalten: Ich finde Fassbinders Interpretation besser als das Original. Zwar leidet der ein oder andere Erzählstrang darunter, dass die Detailtiefe fehlt (Stichwort Meinungsforscher und das dazugehörige Finale vor dem Sitz der Firma). Aber unterm Strich profitiert die Geschichte sehr davon, dass das ganze “Fett” weggeschnitten wurde (vor allem das erwähnte letzte Drittel des Buches) und stattdessen ganz und gar Halls bzw. Stillers Reise im Mittelpunkt steht.

Ich finde auch genial, wie Fassbinder und sein Team den Film in Szene gesetzt haben. Trotzdem, dass die offensichtlichen SciFi-Elemente der Vorlage fehlen, wirkt das Werk von Anfang an befremdlich und komisch. Passt logischerweise perfekt zum Thema und lässt auch den Zuschauer sich fragen ob das jetzt real ist oder nicht. Das liegt jedoch weniger am Setdesign, welches zwar hier und da etwas abgefahren ist aber insgesamt doch größtenteils zu den 60iger/70iger Jahre passt. Stattdessen ist es eher die schauspielerische Leistung (im positiven Sinn), die teils befremdlich wirkt sowie die Kameraeinstellungen. Lysanda und ich hatten sogar zuerst die Vermutung, dass Stiller in einer Welt voller Roboter lebt, so unwirklich und apathisch kommt die Beförderungsfeier daher. Sehr coole Sache und definitiv ein Film, den ich Cyberpunk-Fans ans Herz legen kann. Erwartet nur wie gesagt keine beeindruckende Kung-Fu-Schlacht. Es ist ein Charakterfilm, kein Actionstreifen.

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