Sicarius

Junges Blut auf Burg Wolfenstein

Quake Champions (Herstellerbild)

Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja: Spiele, die von mir eine zu große/unplanbare Zeitinvestition pro Session erfordern. Bei Quake Champions weiß ich zumindest, dass ich bis zu 10 Minuten am Rechner bleiben muss sobald das Match gestartet ist. Leider sind die Server trotz der QuakeCon-2020-Aktion (einmal zocken, alle Champions freischalten) immer noch extrem leergefegt. Je nach Tageszeit sitzt ihr entsprechend fünf oder mehr Minuten da bis überhaupt ein Spiel startet. Verstehe absolut nicht, warum es nicht zumindest eine Art “Revanche?”-Button gibt. Stattdessen wird man am Ende eines Matches einfach wieder in die Lobby geworfen und die Serversuche startet erneut – mit entsprechender Downtime. Und hat man mal einen Server gefunden, ist es häufig einer in Amerika (Ping >100). Echt schade, weil es trotz dem ganzen Free-2-Play-Mikrotransaktions-Kram im Kern immer noch ein erstklassiger Arena-Shooter ist.

Themenwechsel

Aber gut, ich hatte euch ja meine Meinung zu einem anderen Shooter versprochen. Und zwar hat Bethesda 2019 zwei Experimente/Spin-offs im Wolfenstein-Universum auf den Markt gebracht. Beide hatten die Ehre die ersten neuen AAA-Titel zu sein deren ungekürzte Version von der USK unter der neuen Sozialadäquanzklausel mit einer “ab 18”-Freigabe versehen wurden. Eine geschnittene Variante gab es trotzdem (vermutlich zum letzten Mal). Einige Läden weigerten sich zudem die als “Internationale Version” titulierte Fassung ins Regal zu stellen. Aber der stationäre Handel ist eh am Aussterben. Von daher soll es uns egal sein :smile: .

Außerdem hatten beide Titel nicht nur eher mäßige Bewertungen gemein, sondern auch, dass sie von MachineGames in Zusammenarbeit mit den Arkane Studios gebastelt wurden. Ihr wisst schon: Die Franzosen (mittlerweile mit amerikanischem Ableger in Austin), die vor allem für ihre “Immersive Simulations” wie Dishonored oder Arx Fatalis bekannt sind. Also definitiv zwei erfahrene Studios.

Eins der Machwerke, das aus dieser Kooperation entstand, war Wolfenstein: Cyberpilot. Ein reines aber wohl sehr kurzes VR-Erlebnis in dem ihr als Hacker die Kontrolle über die riesigen Kriegsmaschinen der Nazis übernehmt und selbige anschließend über den Haufen schießt. Sollte ich irgendwann mal ein VR-Headset haben, werde ich ihn mir definitiv mal anschauen. Das zweite Spin-off war hingegen das hier:

(Cover)

Wolfenstein: Youngblood (2019; PC, XONE, PS4, NSWI) – Zwanzig Jahre nach den Ereignissen in Wolfenstein II: The New Colossus (u.a. ist Hitler endlich wirklich und vermutlich unwiederbringlich tot) sind Amerika sowie ein Großteil der Welt der Kontrolle der Nazis entrissen – aber eben nicht alles. Frankreich z.B. hat es trotz einer gut organisierten Widerstandsbewegung immer noch nicht geschafft die bösen Jungs zu vertreiben. In Wolfenstein: Youngblood schlüpft ihr nun in die Rolle von Jessie und Zofia, die Töchter von B. J. Blazkowicz. Als ihr Vater eines Tages spurlos verschwindet und die amerikanischen Behörden irgendwie keinen großen Bock darauf haben nach ihm zu suchen, nehmen sie die Sache einfach selbst in die Hand. Ausgestattet mit ein paar High-Tech-Rüstungen (bekannt aus den zwei Hauptteilen) führt sie die Spur ins immer noch von den Nazis besetzte Neu-Paris (eine Woche nach den Ereignissen in Wolfenstein: Cyberpilot). Dort nehmen sie Kontakt mit dem Widerstand auf und versuchen mit deren Unterstützung ihren Vater wieder zu finden. Wobei die Franzosen eher froh sind zwei kompetente Kämpfer zu haben, die für sie die Drecksarbeit machen statt tatsächlich bei der Suche nach dem Vater zu helfen. Aber warum einfach, wenn es auch kompliziert geht…

Wolfenstein: Youngblood (Herstellerbild)

Wer Wolfenstein II: The New Colossus gespielt hat, der weiß was das nun bedeutet: Haufenweise Nazis abschießen. Veteranen fühlen sich in Wolfenstein: Youngblood auch direkt heimisch. Es ist ein Ego-Shooter, die Waffenauswahl im Vergleich zu Teil 2 größtenteils unverändert (genauso wie die gute Technik) und damit das Gunplay so gut wie ihm Hauptspiel. Erneut macht es also grundsätzlich eine Menge Spaß Nazis auf verschiedenste Art und Weise über den Haufen zu ballern. Technisch gesehen gibt es zwar erneut die Möglichkeit leise vorzugehen (inkl. echter Tarnfunktion eures Anzugs) und aus dem Hinterhalt anzugreifen – speziell die Kommandanten, die ansonsten nach Verstärkung rufen. Aber seien wir doch ehrlich: Wenn der Alarm ertönt und mehr Gegner erscheinen, gibt es nicht nur mehr Erfahrungspunkte – es macht auch wesentlich mehr Spaß. Allerdings seid ihr im Vergleich zu Hauptserie dieses Mal eben nicht alleine unterwegs.

Gemeinsam statt einsam (Ich werde diese Überschrift bis ans Ende meiner Tage verwenden!)

Trotz der hervorragenden Einzelspieler-Kampagnen der neuen Wolfenstein-Serie, trauerten doch so einige Fans den Mehrspielertagen speziell von Return to Castle Wolfenstein hinterher. Aber nein: Bethesda hat diese Fans nicht erhört. Wolfenstein: Youngblood ist zwar ein Mehrspieler- aber ein reiner Koop-Titel. Ein Spieler schlüpft in die Rolle von Jessie, der andere übernimmt Zofia. Wie in guten alten Diablo-Zeiten benötigt euer Kumpel/eure Kumpeline dank eines Buddy Pass (in der Deluxe Edition enthalten, ansonsten 10€ extra) nicht einmal eine eigene Vollversion, um mit euch zu zocken. Coole Sache! Wer keine Freunde hat, lässt seinen Server einfach für alle Welt offen oder zockt zusammen mit der KI. Deren Intelligenz ist zwar nicht ganz so groß aber sie schießt (und tötet) Nazis, heilt euch fleißig und belebt euch in den meisten Fällen wieder. Manchmal hängt sie auch einfach irgendwo fest und macht gar nichts. Aber zum Glück kann man sich jederzeit zu seinem Mitspieler teleportieren und die KI nutzt diese Funktion sehr fleißig und vorbildlich, um sich selbst zu resetten. Schließlich gibt es so einige Sachen (Schalter umlegen, Türen öffnen, etc.) die ihr nur zusammen erledigen könnt. Da wäre es echt blöd, wenn ihr erst noch eine halbe Stunde auf euren Partner am anderen Ende des Levels warten müsstet.

Wolfenstein: Youngblood (Herstellerbild)

Und wenn es mit dem Wiederbeleben doch mal nicht klappt: Ihr habt bis zu drei sogenannte “Shared Lives” zur Verfügung, um nach dem Ausbluten direkt an Ort und Stelle wieder auf zu erstehen und weiterzuballern. Erst wenn diese aufgebraucht sind (können an speziellen Containern wieder aufgefüllt werden), geht es zurück zum Checkpoint – womit wir beim Stichwort aus der Einleitung sind. Diese Checkpoints sind zwar fair gesetzt, gelten aber nur für die aktuelle Session. Beendet ihr das Spiel mitten in einem Level, werdet ihr beim nächsten Start wieder an den Anfang zurückgesetzt. Nur gefundene Collectables sowie euer Charakterfortschritt wird dauerhaft gespeichert. Und die Levels sind (erfreulicherweise) relativ groß. Die Entwickler haben sogar haufenweise Shortcuts eingebaut, die ihr dann auf dem Rückweg nach dem Erfüllen des Missionsziels freischalten könnt. Trotzdem seid ihr eben lange mit einer Mission beschäftigt.

Rollenspiele

Der Widerstand hat sich in den Katakomben verschanzt. Von dort brecht ihr auf in die Handvoll Stadtbezirke von Neu-Paris. Ja, die Anzahl der Levels ist übersichtlich und die (nicht zufallsgenerierten!) Nebenaufgaben schicken euch immer und immer wieder in die gleichen Umgebungen zurück. Zwar haben die Entwickler quasi aufgrund der Größe versucht etwas Abwechslung reinzubringen – so besucht ihr im Laufe der Geschichte etwa die rechte Hälfte von Little Berlin in der Nebenquest hingegen die linke. Am Ende des Tages werdet ihr aber leider doch immer und immer wieder an bekannte Punkte zurückkehren müssen (mit nur minimal abweichenden Gegnergruppen), wollt ihr wirklich das komplette Spiel erleben.

Immerhin ist es auf den Straßen nicht ganz so schlimm wie im Untergrund (=Kanalisation). Dieser verbindet vereinzelt die Stadtteile miteinander und dient euch anfangs als eine Art alternativer Levelzugang, damit ihr aus Sicht des Spiels viel zu starke Gegner umgehen könnt. Viele Nebenaufgaben führen euch aber ebenfalls dahin – zu meinem Leidwesen. Dort unten ist es (logischerweise) extrem duster und ihr könnt Anfangs eure Taschenlampe nur zusammen mit der Pistole benutzen. Mit der Zeit schaltet ihr zwar für einige andere Waffen auf Wunsch eine montierte Lampe frei. Bleibt aber trotzdem das Problem, dass diese beim Rennen (realistisch) zur Seite genommen wird. Ihr müsst also entweder langsam und bequemlich durch die engen und unübersichtlichen Gänge streifen oder anhand der Minimap durch die völlig unübersichtlichen Levels rennen. Beides sehr suboptimal.

Wolfenstein: Youngblood (Herstellerbild)

Glücklicherweise sind eure Feinde tatsächlich niemals komplett unbesiegbar. Das Spiel behauptet nur, dass ihr mit eurem aktuellen Charakterlevel und Bewaffnung es extrem schwer haben werdet. Aber ihr wisst ja, wie das ist: Wenn das Spiel sagt “ihr solltet da nicht entlang gehen”, dann gehe ich erst recht da entlang. Und ja, ich habe die Herausforderung am Ende immer gemeistert! Mit jedem besiegtem Gegner sowie beim Erfüllen von Quests erhaltet ihr Erfahrungspunkte – übrigens weniger, wenn euer Partner gerade am Ausbluten ist, um quasi Teamarbeit zu fördern. Außerdem – was wäre schließlich ein Bethesda-Titel heutzutage ohne Mikrotransaktionen – findet ihr überall in den Levels verteilt Geldstücke. Dank der Erfahrungspunkte steigt ihr im Level auf (eure Gegner übrigens ebenfalls) und mit den dadurch gesammelten Punkten schaltet ihr in mehreren Kategorien zusätzliche Fähigkeiten frei wie z.B. zwei Waffen gleichzeitig benutzen oder länger getarnt bleiben. Das Geld bzw. die separat mit echtem Geld erwerbbaren Goldbarren dienen hingegen dazu eure Waffen zu verbessern. Vom Schalldämpfer über ein größeres Magazin bis hin zu verschiedenen Varianten von Zielhilfen ist alles dabei und kann in zwei Stufen ausgebaut werden. Außerdem gibt es noch haufenweise kosmetische Sachen aber ich halte es jetzt nicht gerade für erstrebenswert wie ein Einhorn gekleidet Nazis zu jagen. Andererseits hat der Titel trotz der grundsätzlich ernsten Lage in Neu-Paris wie auch schon das Hauptspiel durchaus etwas Humor zu bieten.

Beim Christoph meint: Ich hab‘ zwar noch nicht alle Nebenaufgaben erledigt aber von mir gibt es trotzdem schonmal 3 von 5 Sics. Das sogenannte “Moment-to-Moment”-Gameplay funktioniert wie schon in Wolfenstein II: The New Colossus einwandfrei. Man hat viele Möglichkeiten die Nazis über den Jordan zu schicken, die gegnerische KI kann anspruchsvoll sein und dadurch, dass die Feinde mit euch im Level aufsteigen, befindet ihr euch nie in einer Situation in der ihr vollkommen übermächtig seid. Gleichzeitig eröffnen sich durch eure Levelaufstiege, die dazugehörigen neuen/verbesserten Fähigkeiten und den Waffenupgrades neue Möglichkeiten im Kampf zu agieren. Auch die Hauptgeschichte – so banal sie ist – motiviert Serienkenner (unbedarfte vermutlich eher weniger) zum Weiterspielen und führt zu einem befriedigenden Höhepunkt.

Wolfenstein: Youngblood (Herstellerbild)

Wenn man nur der Kampagne folgt, ist Wolfenstein: Youngblood also ein durchaus empfehlenswerter Titel – mit einem Partner zusammen sicherlich noch einmal mehr. Aber das ist natürlich nicht Sinn der Sache. Es ist ein Mehrspielertitel mit Charakterentwicklung. Ihr sollt ihn also häufiger und länger spielen. Und da schleichen sich eben die Probleme ein. Die Nebenaufgaben sind schlicht größtenteils totaler Mist. Sie führen euch immer und immer wieder an die gleichen Orte und zwingen euch vor allem ständig in den Untergrund. Und das sind Levels, die ich schon nach dem zweiten Mal absolut verabscheut habe. Vermutlich mit ein Grund, warum ich noch nicht komplett durch bin. Gleichzeitig reicht es irgendwann mit dem Nazis abschießen. Da kann das Gunplay noch so gut sein, hat man mal seinen Trott gefunden, verkommt es langsam aber sicher zu einer Fleißarbeit.

Der Titel hätte also definitiv entweder von ein paar zusätzlichen Levels oder dem guten alten Grundsatz “in der Kürze liegt die Würze” profitiert. Insofern: Wer bis zum Release von Wolfenstein III unbedingt Nachschub aus diesem Spieleuniversaum braucht, macht erst einmal nichts grundsätzlich falsch. Aber ein “Muss” für alle Ego-Shooter-Fans ist Wolfenstein: Youngblood leider nicht geworden – schon gar nicht zum Vollpreis.

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