Sicarius

Ein Urlaubsrant

Eines unserer Urlaubsziele: Sofanien

Da ist die Hälfte unseres großen Jahresurlaubes auch schon wieder rum. Zumindest nennt man es glaube ich so, wenn man >drei Wochen (ab dann beginnt erst der richtige Erholungseffekt) zusammenhängend der Arbeit “Adieu!” sagt. Und bevor jetzt irgendwelche Einbrecher sich die Finger nach meiner neuen Hardware lecken: Wir verbringen ihn wie fast alle unsere freien Tage Zuhause in der Casa Lysanda. Ein Konzept, das immer noch für viel Verwirrung bei allen sorgt, denen wir das erzählen. Kaum hören Freunde, Verwandte oder Kollegen, dass man demnächst Urlaub hat, schon kommt schließlich sofort die Frage “Wo fahrt ihr denn hin?” – und dann sind sie gefühlt total enttäuscht, dass wir eine Reise verneinen. Am krassesten fand ich die Aussage eines Kollegen am Ende der letzten Telefonkonferenz vor Urlaubsantritt: “Ihr verreist zwar nicht, aber trotzdem viel Spaß im Urlaub.” Da lag meine Kinnlade erstmal am Boden…

Die Faktoren

In Bezug auf diesen “Ich muss unbedingt verreisen”-Tick, wie ich ihn nenne, kommen mir immer zwei Faktoren in den Sinn:

Werbung

Hat uns die Werbung/Konsumgesellschaft echt so total verbollert, dass wir glauben Erholung nur in Timbuktu zu finden? Am Strand in der Sonne liegend um wenigstens die Sonnenbräune mit nehmen zu können? Auf dem Luxusdampfer mit 24h Entertainment? Jeden Tag eine andere Stadt kennen lernen unter dem Glauben so unseren Charakter weiter zu bilden (=Fremde Kulturen “erleben”)? Oder wie die Chinesen und Japaner: Hin fahren, Fotos machen und sofort weiterfahren, einfach nur, um sagen zu können “Wir waren da!”? Die machen das übrigens nur, weil dies oftmals die einzige Auslandsreise ihres Lebens ist.

Wegrennen

Rennt jeder vor etwas weg? Vor dem Alltag mit den Kindern/Partner? Von wegen “Oh Gott, vier Wochen mit meinem Partner Zuhause?!” Dem Abwasch, dem Kochen oder Rasenmähen? Geht es etwa um das schlechte Gewissen, wenn man in den eigenen vier Wänden mal nichts tut – obwohl es am Strand ja nicht anders ist? Auch daheim könnte man sich essen liefern lassen, selbst wenn die Zeit zum Kochen da wäre. Oder ist es schlicht und einfach nur der Gedanke “Ich muss raus hier (=meinen Alltag), sonst kriege ich einen Koller!” ? Das wäre schlecht. Wegrennen löst schließlich nur in sehr eingeschränkten Situationen das Problem.

Leben und Leben lassen

Jules reicht chillen im Garten

Okay, das ist natürlich alles etwas plakativ ausgedrückt. Lysanda und ich sind halt einfach keine Reisenden. Insofern: Es darf selbstverständlich jeder im Urlaub tun und lassen, was er möchte (unter Einhaltung der jeweiligen Gesetzgebung). Wir sollten aber trotzdem als Gesellschaft aufhören als einzig “gültige” Variante den Einstieg ins Flugzeug oder die 10-Stunden-Anfahrt mit Bus/Bahn/Auto anzusehen. Stattdessen auch einfach zuhause bleiben zu “dürfen” und es sich dort gemütlich zu machen/Naherholung zu betreiben und dafür dann nicht komisch angeschaut zu werden.

War der Ausflug nach Luxemburg nett? Und die Reise zum adriatischen Meer? Sicherlich. Aber Lysanda und ich (sowie sicherlich viele andere ebenfalls) brauchen das absolut nicht. Im Gegenteil ist es für uns vermutlich sogar mehr Stress als echte Erholung. Stattdessen chillen wir lieber in den eigenen vier Wänden bei unseren Vierbeinern – dafür haben wir unser Heim ja schließlich und nicht, um beim ersten Anzeichen einer freien Minute weg zu rennen :smile: . Zumal man ja gerade im Urlaub die Zeit hat endlich mal Sachen zu erledigen, die sonst im Alltag liegen bleiben oder nur völlig gestresst am Wochenende erledigt werden. Und ja, in Ruhe z.B. die Garage zu streichen kann ebenfalls erholsam sein.

Also: Lasst die Leute einfach machen. Egal ob derjenige seine Erfüllung beim Streicheln von unterernährten Streunern in Griechenland oder beim Tauben füttern im naheliegenden Stadtpark findet. Jeder wie er es braucht. Studien haben sowieso gezeigt, dass es am Ende egal ist. Der erste Blick ins überfüllte E-Mailpostfach rafft jeden Erholungseffekt innerhalb von Sekunden dahin.

Ach noch was

Übrigens: Egal wo ihr euren Urlaub verbringt, der größte Fehler ist es unbedingt das Maximale heraus holen zu wollen. Quasi endlich alles erleben zu wollen, wofür sonst keine Zeit ist. Darunter fällt auch die Suche nach der “maximalen” Erholung. Dazu gehören beispielsweise die, die vom Flieger direkt ins Büro fallen. Ich bezweifle, dass das wirklich gut ist für die Seele. Langfristig sinnvoller ist es seinen Alltag in den Griff zu bekommen. Nicht von Wochenende zu Wochenende und von Urlaub zu Urlaub zu leben, sondern es möglichst stressfrei zu schaffen in den Alltag diese Dinge (Heimarbeit, Erholung, etc.) einzubauen. Da hat man langfristig betrachtet wesentlich mehr davon. Schließlich überwiegt der Anteil an “Alltag” im Vergleich zu den Wochenenden und den Urlaubszeiten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

:smile: :sad: :wink: :tongue: :-x :roll: mehr »