Sicarius

Die nächste Sternenreise, Teil 4

(Cover)

Familie. Das ist das große Grundthema der vierten Staffel von Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert*. Wir erfahren mehr privates von unseren Charakteren, sehen mehr Emotionen von ihnen, Wesley existiert nach der ersten Handvoll Folgen faktisch nicht mehr (immerhin war Die letzte Mission ein halbwegs würdiger Abschluss für ihn) und gleichzeitig werden speziell die Stränge “Romulaner” und “Klingonen” mit großen Schritten vorangetrieben – inkl. einem wirklich fulminanten Finale mit Der Kampf um das klingonische Reich Teil I. Definitiv eine der besten Episoden der gesamten Serie. Passenderweise die 100. Folge. Und direkt nach Drehschluss begann die Produktion von Star Trek VI: Das unentdeckte Land. Man könnte fast meinen Drehbuchautor Ronald D. Moore (Episode) hätte sich mit Nicholas Meyer (Film) vorher abgesprochen. Die ursprüngliche Idee für den Film stammt allerdings von Leonard Nimoy und Gene Roddenberry hasste das Drehbuch. Hatte ich schon erwähnt, dass der Typ komisch rüberkommt? Ja? Okay.

Das Personalkarussell

Aber wir sind ja nicht hier, um schon wieder über den besten Star-Trek-Film der Originalcrew zu reden. Kommen wir stattdessen zurück zur vierten Staffel mit Captain Picard. Hinter den Kulissen fand erneut ein Personalumbau statt aber nach den äußerst turbulenten ersten drei Staffeln kehrte nun trotzdem so etwas wie Normalität ein. Statt euch aber mit einer Aufzählung von Namen zu langweilen, mit denen ihr vermutlich eh nichts anfangen könnt, nur die Wichtigsten: Ira Steven Behr verließ wie erwähnt das Autorenteam schon wieder und tauchte erst 1995 drüben bei Star Trek: Deep Space Nine erneut auf. Jeri Taylor hingegen übernahm als Supervising Producer und schrieb auch ein paar Episoden. Sie war die dritte im Bunde, die zusammen mit Rick Berman und Michael Piller später Star Trek: Voyager aus der Taufe hob.

Außerdem stieß Brannon Braga (hier noch als eine Art Azubi) dazu und wurde umgehend von Michael Piller unter seine Fittiche genommen. Zwei Filme (Nr. 7 und 8 – in Zusammenarbeit mit Ronald D. Moore) und 108 Star-Trek-Episoden (Raumschiffe Enterprise – Das nächste Jahrhundert, Star Trek: Voyager und Star Trek: Enterprise) gingen am Ende auf sein Konto. Ach, und es war die letzte Staffel bei der formal noch Gene Roddenberry beteiligt war. Tatsächlich hatte er zu diesem Zeitpunkt schon so gut wie nichts mehr zu sagen. Er starb ein paar Monate nach Ende der Ausstrahlung dieser Staffel.

Außerdem erwähnenswert ist, dass Patrick Stewart das erste von fünf Mal auf dem Regiestuhl Platz nahm. Und zwar in der vorletzten Folge der Staffel, Datas erste Liebe. Leider konnte er hier sein Können mal so gar nicht zur Schau stellen. Trotz der interessanten Thematik (ein Crewmitglied verliebt sich in Data), ist es eine überraschend humorlose und langweilige Folge und die Auflösung des B-Plots (die Enterprise fliegt durch einen Nebel voller Subraumlöcher) klang auf dem Papier besser als die tatsächliche Umsetzung.

Der Inhalt

Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert (Promobild)

Meine leichte Enttäuschung über den Staffeleinstieg mit Angriffsziel Erde hatte ich ja schon kundgetan. Aber es war absolut die richtige Entscheidung als nächstes eine Folge wie Familienbegegnung zu bringen. Nach den Strapazen der Doppelfolge tut sowohl den Charakteren als auch dem Zuschauer die Erholung gut. So sehen wir erstmals Picards Heimat in Frankreich und lernen Worfs Pflegeeltern kennen. Doch es versteht sich von selbst, dass ich trotzdem was auszusetzen habe. Und zwar war mir eine Folge ehrlich gesagt zu wenig. Da kommt wieder meine Beschwerde über den “husch-husch”-Abschluss der Doppelfolge hoch. Picard hat ein höchst traumatisches Erlebnis hinter sich und alles, was es braucht, ist es seinen Bruder in den Matsch zu schupsen und alles ist wieder gut? Ja, ne das war irgendwie mal wieder verschenktes Potential. Ein Satz, der mir im weiteren Verlauf der Serie leider noch öfters über die Lippen kommen wird. Denn obwohl die restlichen Staffeln grundsätzlich auf einem hohen Niveau operieren, macht es genau das noch frustrierender, wenn (aus Zuschauersicht) offensichtliche Chancen nicht genutzt werden und einfach verpuffen.

Was freilich nicht bedeutet, dass es keine Kontinuität gäbe. In Der ungleiche Bruder lernen wir beispielsweise endlich Datas Erschaffer, Dr. Noonien Soong, kennen. Dort gibt es auch ein Wiedersehen mit Lore und das Thema “Emotionschip” kommt auf den Tisch. Ein Punkt, der uns erst so richtig in Star Trek VII: Treffen der Generationen* beschäftigen wird. Worfs Entehrung ist ebenfalls in vielen Folgen der Staffel ein Thema und wie in der Einleitung erwähnt, erreicht endlich die am Ende von Staffel 2 gesäte Romulaner-Saat ihre Reife mit einer Enthüllung, die es absolut in sich hat. Faktisch war damit der Konflikt rund um die Föderation, Klingonen und Romulaner die erste staffelübergreifende Geschichte in einer Star-Trek-Serie. Richtig coole Sache.

Außerdem lernen wir Worfs Sohn Alexander kennen und Chief Miles O’Brien ist nicht nur präsenter, als er es bislang in der gesamten Serie war. Er heiratet (eine äußerst fantastische und humorvolle Folge!) auch und legt somit eine weitere Grundlage für viele wichtige Momente, die noch kommen werden. Und wir lernen unseren ersten Trill kennen auch, wenn Star Trek: Deep Space Nine später noch ein paar Änderungen an der Rasse vornahm (Jadzia Dax hat z.B. keine Probleme mit dem Beamen), die dieser Folge widersprechen. Unsere erste Begegnung mit den Cardassianern entspricht da schon eher dem, wovon wir noch mehr sehen werden.

Bevor ich aber wieder in Versuchung komme fast alle Folgen der Staffel einzeln aufzulisten, weil sie fast alle gelungen sind, nur noch drei absolute Highlights:

  • Die Auflösung – Wusstet ihr, dass die Folge Der Schleudertag von der Kultkinderserie Die Dinos* in den USA in der gleichen Woche (Freitags – Star Trek kam Montags) ausgestrahlt wurde? Interessantes Detail, ich weiß. Gehe aber dann doch von einem reinen Zufall aus. Zur Erinnerung: Bei den Dinos feierte Ethyl ihren 72. Geburtstag und das ist der Tag an dem Dinos von der Klippe in den Tod gestürzt werden. Bei Star Trek sind es nur 60 Lebensjahre bis die Bewohner von Kaelon II die Auflösung feiern. Das Grundthema ist in beiden Serien das gleiche: Ist das tatsächlich richtig, was da passiert? Wobei Star Trek zum einen kein richtiges Happy End bietet und zum anderen (logischerweise) trotz Lwaxana Trois Beteiligung erwachsener damit umgeht indem die Autoren unter anderem die zusätzliche Frage stellen, ob man sich als Außenstehender in diese Angelegenheit einmischen darf.
  • Das Standgericht – Die Folge ist in der Ausführung nicht ganz so gelungen, wie sie es hätte sein können. Picards Widerstand kommt mir dafür irgendwie zu schnell und wirkt zu extrem. Aber es ist trotzdem eine starke und wichtige Episode, die leider bis heute Gültigkeit besitzt. Lysanda war allerdings vom faktisch offenen Ende enttäuscht. Ich fand es gut, dass hier kein Happy End oder sowas erzwungen wurde. Es passt sogar perfekt zum Thema, dass nur diese eine Situation irgendwie aufgelöst wurde aber das Problem damit nicht aus der Welt geschafft ist. Aber Lysanda hätte sich zumindest irgendeine sichtbare Bestrafung für Admiral Nora Satie gewünscht.
  • Die Begegnung im Weltraum – Dass Geordi einfach kein Glück in der Liebe hat, wurde ja schon öfters thematisiert. Aber die Folge behandelt trotzdem ein interessantes und heute dank der Influencer- und Streaming-Kultur noch realeres Problem: Die Idolisierung von Menschen und dass diese imaginäre Erwartungshaltung niemals von ihnen erfüllt werden kann. Die eigentliche aber reichlich unspannende Handlung rund um das Weltraumbaby gerät dabei völlig in den Hintergrund.

Und so weiter und so fort. Die vierte Staffel ist wirklich durchgängig sehr gut gelungen und hat meist nur Abzüge in der B-Note. Wenn ihr mir die Pistole auf die Brust setzt, dann würde ich höchstens Augen in der Dunkelheit als unterdurchschnittlich bezeichnen. Aber das auch nur, weil ich Trois Albtraum-Sequenz echt total bescheuert finde.

Fazit

Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert (Promobild)

Mehr fällt mir zur vierten Staffel tatsächlich nicht mehr ein. Wie gesagt: Staffel 3 hat das Niveau der Serie signifikant gesteigert und ab jetzt wird es konsequent gehalten. Ja, es könnte hier und da wie immer etwas besser sein (Stichwort “Verpasste Chancen”) aber gute Unterhaltung und vorzügliches Star Trek ist es auf jeden Fall.

Vielleicht abschließend noch eine Sache: Ich habe bislang noch kein einziges Mal die Technik erwähnt. Wir schauen schließlich die Remastered-Fassungen auf Blu-ray. Ich habe sie jedoch aus einem bestimmten Grund bislang nicht angesprochen: Ich habe schlicht nichts zu sagen. Zum einen, weil es anders als bei den Blu-rays von Raumschiff Enterprise keine Umschaltefunktion gibt. Ich habe also gar keinen Schimmer mehr, wie das Original überhaupt aussah (hab die Specials noch nicht geschaut – die interessieren Lysanda nicht). Aber zum anderen auch genau dies: Es fällt absolut nicht auf, dass irgendwas getan wurde. Die verbesserten Effekte fügen sich buchstäblich nahtlos ein und die Serie an sich ist so gestochen scharf und klar – man könnte meinen, sie wäre gerade erst produziert worden. Würdet ihr mir also sagen, dass wir eigentlich das Original von 1987 schauen – ich würde es euch glatt glauben. Einzig auffällig ist, dass die Qualität der deutschen Tonspur hier und da schwankt. Sprecherwechsel gab es zwar meines Wissens nicht aber die ein oder andere Folge klingt trotzdem irgendwie komisch.

Jetzt geht es logischerweise weiter mit der fünften Staffel – allerdings doch mit einer kurzen Anime-Pause davor. Ich bin nämlich auf die Serie Undefeated Bahamut Chronicles* gestoßen. Sie hat nur 12 Episoden (á 23 Minuten) und die deutsche Synchronisation lässt ziemlich zu wünschen übrig (“erzwungen cool/hip” würde ich es nennen) aber sie scheint ganz nett zu sein. Bitte? Ich würde sie nur schauen, weil dort junge Mädchen mit großen Brüsten vorkommen, die in Mechs kämpfen? Ääähhh… ich muss dann mal weg.

PS: Die Odan-Folge führte damals zu einem kleinen Aufschrei, da am Ende ja der neue Trill-Wirt weiblich ist und somit eine lesbische Beziehung zwischen Crusher und Odan impliziert wird. Allein dieser Gedanke gefiel (wie so oft) ein paar Vollspacken nicht.

Ein Kommentar

Bezüglich der Remastered-Fassung: wenn man sich – wie ich – im Anschluss an TNG Remastered DS9 (noch dazu im Online-Streaming) anschaut, wird einem sehr schnell bewusst, wie gut TNG doch überarbeitet wurde :tongue:

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