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Die Versandkosten aus Amerika sind mittlerweile echt total abartig hoch. Mittlerweile bezahlt man den Warenwert oder sogar darüber nur für den Versand – die möglicherweise noch anfallenden Zollgebühren gar nicht erst dazu gerechnet. Deswegen habe ich auch schweren Herzens die Tage meine Unterstützung zum 8-Bit Theater 20th Anniversary Book zurückgezogen. Wenn ihr das Webcomic nicht kennt, dann wird es unbedingt mal Zeit das nachzuholen! Sind doch „nur” 1.225 Seiten. Und Final Fantasy-Wissen ist zwar von Vorteil, aber nicht zwingend erforderlich!

Das Buch ist endlich fertig (die Kampagne war 2021) und der Versand steht kurz bevor. Zum Glück für Autor Brian Clevinger, hat er die Versandkosten damals nicht direkt eingezogen, sondern tut es jetzt erst zu den aktuellen Preisen. Zum Pech für uns 191 internationale Unterstützer, sind die Kosten in den letzten drei Jahren einfach nur explodiert (so viel zur Globalisierung…). Mit den vermutlich zusätzlich anfallenden Zollgebühren hätte ich am Ende fast das Dreifache vom eigentlichen Warenwert bezahlen müssen. Das war mir dann doch zu viel des Guten. Das wusste auch Brian und hat uns anstandslos eine Rückerstattung angeboten – die ich dann in Anspruch genommen habe. Irgendwo habe ich schließlich selbst ich meine Limits.

Eine (seltene) gute Seite

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Ich hatte allerdings vor kurzem auch einen Fall, da haben mich die hohen Versandkosten tatsächlich vor einem Fehlkauf gerettet. Und zwar lässt es sich derzeit The Art of Psychonauts 2 für knapp 50 EUR bei iam8bit vorbestellen. Das war ursprünglich Teil der Crowdfunding-Kampagne, aber ich wusste ehrlich gesagt nicht mehr, ob ich es auf meinem Unterstützerlevel bekommen würde. Häufig sind die nur in den wesentlich teureren Stufen enthalten wie z.B. bei EVERSPACE 2.

Nachschauen konnte ich das aber nicht mehr, denn Fig an sich gibt es mittlerweile (die Kampagne war 2016) nicht mehr so wirklich und die entsprechenden Crowdfunding-Seiten und Accounts wurden gelöscht. Also liebäugelte ich mit dem Kauf des Kunstbuchs, wurde aber dann von den abartigen Versandkosten (knapp 40 EUR) abgeschreckt. Zum Glück, wie sich herausstellte, denn einige Zeit später kam eine Mail von Fangamer mit der Ankündigung, dass meine Kopie demnächst verschickt wird. Und mittlerweile ist sie angekommen – sogar ganz ohne zusätzliche Zollgebühren. Und meine Güte hat es das Ding in sich!

Das Kunstbuch

The Art of Psychonauts 2 besteht aus 400 Hochglanz-Seiten im übergroßen Hochformat und Hardcover. Wenn einem das auf den Tisch fällt, dann macht es mächtig „Bumms”! Im Inneren erwarten euch haufenweise Skizzen, Storyboards, Konzeptzeichnungen und Renderbilder. Sortiert nach Charakteren, Levels und dem Rest und begleitet sowohl von Kommentaren der Entwickler als auch informativen Beschreibungen. Zusammengestellt hat das Ganze die Autorin und Moderatorin Ashley Esqueda. Wer die Dokumentaiton Double Fine PsychOdyssey gesehen hat (warum hast du es noch nicht?!), dem wir das ein oder andere bekannt vorkommen. Aber das Buch geht noch weit darüber hinaus. Schließlich konzentriert es sich wirklich ausschließlich auf das Design und das Aussehen des Spiels. Und da blieb doch bisher noch sehr viel unerzählt – und vor allem ungezeigt.

Eine Konzeptzeichnung zu Tastys Sensorium

Ich hab‘ mittlerweile so einige Artbooks und Making-Of-Bücher im Regal stehen. Aber ich muss ganz klar sagen, dass keines davon mit der Qualität dieses dicken Brechers mithalten kann. Ja, selbst The Art of Gothic 3 nicht – eins meiner bisherigen Vorzeigebeispiele. The Art of Psychonauts 2 ist umfangreich, hochwertig verarbeitet und gleichzeitig äußerst informativ. Weil es eben nicht nur viele Bilder enthält, sondern auch sehr viele und vor allem informative Erklärungen dazu. Ich sage es jedes Mal wieder, aber Kunstbücher ohne jedweden Text sind einfach nur langweilige Kataloge, mit denen ich nichts anfangen kann. Insofern ist das Buch also grundsätzlich eine absolute Kaufempfehlung und für Psychonauts-Fans faktisch Pflicht – so hart es klingt :smile: .

Ob es das Werk allerdings wert ist wegen den Versandkosten den doppelten Preis dafür zu bezahlen? Nun, jetzt wo ich es in der Hand halte, bin ich schon echt froh es zu haben. Der Post dafür jedoch so viel Geld in Rachen zu werfen, würde ich weiterhin nicht einsehen. So schade es auch ist. Aber vielleicht landet ja mal eine etwas billigere Kopie bei eBay oder so. Dann unbedingt zuschlagen!

Zum Schluss noch ein paar Highlights aus dem Buch:

The Art of EVERSPACE 2

Es ist mal wieder ein interessantes Paket eingetroffen – allerdings dieses Mal tatsächlich nicht zu einem Kickstarter. Ich hatte zwar die Crowdfunding-Kampagne zum deutschen Weltraumspiel EVERSPACE 2* damals unterstützt. Und das auch mit relativ viel Geld, weil ich unbedingt eine physische Box fürs Regal haben wollte. Aber selbst ich habe meine Limits. Entsprechend habe ich damals nicht noch weitere 75 EUR investiert, um eine Soundtrack-CD, ein 52-seitiges Hardcover-Artbook und eine Sternenkarte zu erhalten.

In der Zwischenzeit wurde aus dem kleinen Hardcover-Kunstbuch allerdings ein großes Hardcover-Kunstbuch. Insofern wurde ich schon ein wenig neidisch auf die, die es bekommen würden. Entsprechend freudig vernahm ich die Nachricht, dass sie es auch regulär in den Handel bringen würden. Und genau das ist nun eingetroffen: Meine Kopie bestellt auf Amazon*. Derzeit zu haben für 39 EUR. Ich war wohl zu schnell dran mit dem Bestellen und musste für den Import aus Amerika noch 46,74 EUR bezahlen (und entsprechend länger warten) :sad: . Ja, das Spiel stammt von Rockfish Games aus Hamburg aber die Extras kommen aus dem Ausland. So ist das halt.

Das Buch

Wie es sich für so ein Kunstbuch gehört, kommt es im großen Querformat daher. 30 x 2,5 x 20cm misst es und passt deshalb nicht ganz in ein Billy-Regal – die haben nämlich nur 28cm Tiefe. Das stößt Lysanda etwas sauer auf. Ihr wäre ein Hochkantformat lieber gewesen. Aber Videospiele sind heutzutage nun einmal im 16:9-Format. Entsprechend ist das Querformat perfekt für die wunderschönen Illustrationen der Spielwelt. Insgesamt sind es etwas mehr als 280 Seiten aus hochwertigem Papier (=matt und relativ dick, kräftige Farben), die ihr durchblättern könnt. Darauf findet ihr sehr viele Skizzen, Illustrationen, Storyboards und Rendergrafiken zum Spiel. Unterstützt werden diese hier und da mit etwas (englischsprachigem) Text.

So breit, dass ich es fast nicht fotografiert bekomme.

Dieser Text erklärt weniger die Hintergründe aus Entwicklungssicht, sondern gibt hauptsächlich In-Universe-Erläuterungen zu den, was man dort sieht. Also z.B. eine Charakterbiographie oder den Einsatzzweck eines Schiffes. Ich hätte mir etwas mehr zur Entwicklung gewünscht, aber es trotzdem ganz nett. Zumal Texte in Kunstbüchern ja eine Sache ist, die mir besonders wichtig ist. Schließlich liefern sie zu dem, was ich dort sehe, im Minimum den Kontext und geben – wenn das Buch besonders gut gemacht ist – Einblicke in die Gedanken des Designers/die Entwicklung des Spiels. Artbooks, in denen nur die Bilder ohne jedwede Erklärung enthalten sind, finde ich einfach nur doof. Genauso die Bücher, die nur A5 oder Scheckheft groß sind, weil dort die Bilder nicht zur Geltung kommen können. Die sind aus meiner Sicht totale Papierverschwendung.

Aufgeteilt ist das Buch in drei Hauptkapitel, die dann jeweils nochmal weiter aufgesplittet sind. Auf den ersten 110 Seiten geht es um die Fraktionen, dann kommen die Spielerschiffe und ihre Ausrüstung und die letzten 120 Seiten dreht sich alles um die Charaktere, die Geschichte und das Spieluniversum an sich. Es gibt tatsächlich nichts, was ich vermissen würde. Im Gegenteil werden viele Objekte sogar sehr detailliert (von der initialen Skizze bis zum fertigen Render) gezeigt. Sehr cool. Genauso wie die Auswahl an wirklich großformatigen Bildern, die teilweise über beide Seiten hinweg gehen.

Fazit

Für Fans des Spiels oder Artbook-Sammler mit SciFi-Faible definitiv eine schicke Sache und der Preis ist für das, was ihr bekommt, absolut okay. Hier jetzt noch ein paar meiner persönlichen Highlights aus dem Buch:

Über id Software und ihre Gründerväter wurde bereits sehr viel gesagt und noch mehr geschrieben – auch von mir. Vor allem Masters of DOOM* ist immer noch die absolute Pflichtlektüre in der Hinsicht. Doch trotz der vermeintlichen Informationsfülle, weiß man doch teilweise erstaunlich wenig darüber, was wirklich hinter den Kulissen passiert ist. Vieles basiert auf einzelnen Sichtweisen oder sind schlicht Vermutungen, die über die Jahre zu (falschen) Fakten mutiert sind. Unter anderem das Verhältnis zwischen John Romero und John Carmack wird gerne als bis heute absolut vergiftet dargestellt. Dabei waren und sind die beiden weiterhin gute Freunde und tauschen sich häufig aus.

Entsprechend hellhörig wurden Fans und Videospiele-Historiker als John Romero seine Autobiographie ankündigte. Und zwar nicht nur, weil er logischerweise von Anfang an mit dabei war und speziell zu den Geschehnissen bei seinem nächsten Stopp, Ion Storm, bis heute vieles im Dunkeln liegt. Sondern auch, weil Romero unter dem Phänomen Highly Superior Autobiographical Memory “leidet” (er selbst sieht es als Vorteil und nicht als Fluch) – früher Hyperthymesie genannt. Solche Menschen können sich an jeden einzelnen Tag ihres Lebens ab einem bestimmten Alter erinnern. Als jemand, der den Großteil seiner Kindheit faktisch vergessen (oder verdrängt) hat und sich oftmals nicht einmal daran erinnern kann, was er gestern zum Mittagessen hatte, absolut unvorstellbar. Aber für Historiker natürlich eine geniale Sache. Der ultimative Zeitzeuge quasi.

Seit Juli 2023 ist das Buch nun auf dem Markt und ich habe es endlich geschafft meine vom Autor höchstpersönlich signierte (*angeb*) Ausgabe zu lesen:

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Doom Guy: Life in First Person* (2023, 370 Seiten) – Aufgeteilt in vier Episoden (=eine Hommage an DOOM) und 28 Kapitel, geht es von Romeros Kindheit bis kurz vor Entwicklungsbeginn von SIGIL II. Wobei – nachvollziehbar – eine ungeleiche Gewichtung herrscht. So nimmt id Software fast die Hälfte des Buches ein. Während die Zeit nach dem Zerfall von Ion Storm (2001-2022) auf nur 45 Seiten abgehandelt wird. Letzteres finde ich ein wenig schade, denn faktisch war John Romero aus Sicht der Öffentlichkeit in der Zeit wie vom Erdboden verschluckt. Dabei hat er sich definitiv nicht in die Ecke gestellt und sich für Daikatana geschämt, sondern hat daraus gelernt und ist ein weiteres Mal weitergezogen. So gehörte er mit seiner Firma Monkeystone Games zu einen der ersten, die Spiele für Smartphones gebastelt haben. Zusammen mit seiner dritten und derzeitigen Ehefrau, Brenda Romero, hat er anschließend Loot Drop gegründet und ist in den Markt der “Facebook”-Spiele eingestiegen, bevor Meta durch das Verbot der (echt nervigen) Posts à la “Pommesbude1987 hat 100 Erdbeeren in Farmville gepfückt” dem Markt faktisch den Geldhahn zudrehte. Immerhin erfahren Fans auf 10 Seiten ausführlich alles über seinen vor ein paar Jahren gescheiterten Versuch mit Blackroom wieder ins Land der Ego-Shooter zurückzukehren – inkl. einer textuellen Beschreibung der Pitchdemo, mit der sie damals hinter verschlossenen Türen auf der E3 waren. Aber z.B. über Empire of Sin* wird so gut wie kein Wort verloren.

Ich verstehe aber auch, dass ein Großteil der Leser das Buch nur aus einem einzigen Grund kauft: Um mehr Details über id Software und Ion Storm zu erfahren. Und Romero war sich dessen ebenfalls bewusst und erwähnt es (mehrfach). Für jemanden wie mich, der das Werk tatsächlich von vorne bis hinten gelesen hat, ergeben sich dadurch so einige – ja, ehrlich gesagt nervige Wiederholungen. Aus meiner Sicht hat er hier ein wenig zu sehr Rücksicht auf seine potenzielle Leserschaft genommen. Aber gut: Immerhin wird die Erwartungshaltung voll erfüllt. Man erfährt so zahlreiche Details, die dabei helfen viel diskutierte Themen wie z.B. die angespannte Situation bei der Entwicklung von QUAKE endlich ins rechte Licht zu rücken. Und mir ist verständlicher, was damals bei Ion Storm los war und wie Romeros wohl größter Fehltritt (die Werbeanzeige “John Romero’s about to make you his bitch.”) entstanden ist. Zugegeben: Es ist am Ende des Tages immer noch nur ein Blickpunkt auf die Ereignisse, obwohl sich Romero während des Schreibens mit vielen alten Wegbegleitern unterhalten hat. Aber er fügt sich nahtlos in die bekannten Augenzeugenberichte ein und schärft/korrigiert diese maßgeblich.

Gleichzeitig – und das ist mir sehr wichtig zu erwähnen -, erfährt man auch sehr viel über Romero selbst. Sohn eines Alkoholikers, der seine Familie von heute auf morgen für eine andere Frau verließ. Aufgewachsen in armen Verhältnissen, wo die Mutter täglich um das Essen auf dem Tisch kämpfen musste. Aber auch in einer Gemeinschaft, in der sich alle unterstützen und im Zweifel die Oma ihn durchfütterte. Anschließend gelitten unter einem buchstäblich militanten Stiefvater, der seinen Wissensdurst auf der einen Seite förderte, aber auf der anderen ihn auch einfach hochkant aus dem Haus auf die Straße warf, weil er mal Mädchenbesuch hatte. Von seiner frühen Begeisterung für Videospiele und das Programmieren und wie ihm die Hyperthymesie bis heute dabei hilft. Wie sehr Carmack und er vom ersten Tag an auf einer Wellenlänge waren (und immer noch sind). Was er aus seinen Rückschlägen und Erfolgen gelernt hat und was er heute anders machen würde. Und so weiter und so fort. Wie gesagt: Das Buch ist vollgepackt mit Infos und es ist von der ersten bis zur letzten Seite spannend und informativ.

Beim Christoph meint: Trotz der kleinen Mängel (Neuzeit kommt etwas zu kurz, leichte Wiederholungen von vorherigen Kapiteln) eine absolute Pflichtlektüre und damit volle 5 von 5 Sics. Wer sich auch nur ein bisschen für die Geschichte der Ego-Shooter im Allgemeinen, die ersten Jahre von id Software und John Romero im Speziellen interessiert, kommt um dieses Werk faktisch nicht herum. Es ist (fast) alles drin und dran, was man erwarten würde. Und es gewährt dem Leser viele neue und tiefe Einblicke in eine sehr interessante Zeit in der Spieleindustrie von einem der ganz großen, der sich zudem an jedes Detail genau erinnern kann.

Nach dem Lesen bleibe ich faktisch nur mit dem Bedürfnis zurück mal wieder in die Tasten zu hauen, um 1-2 Portraits zu schreiben (über John Romero und Ion Storm). Mal schauen, ob ich irgendwann mal die Zeit dazu finde.

PS: Wenn ihr mal fünf Stunden Zeit habt, solltet ihr euch unbedingt Lex Fridmans Interview mit John Carmack anhören. Extrem interessant und informativ (wie so viele von Fridmans Podcasts). Bitte? Das ist euch zu lang?! *kopfschüttel* Carmacks QuakeCon-Vorträge dauerten auch häufig mehr als drei Stunden. Stellt euch also nicht so an!

Mass Effect: The Complete Comics (Cover)

Elf Jahre ist es mittlerweile her, seit ich das letzte Mal einen Mass Effect-Titel gestartet habe (damals kam der Extended Cut zu Mass Effect 3 raus). Ja, Mass Effect Andromeda* sowie die Mass Effect Legendary Edition* stehen zwar im (digitalen) Regal aber angefasst habe ich beide bislang noch nicht. “Traue” mich vermutlich aktuell nicht sowas episches anzufangen :smile: . Was ich aber gemacht habe, ist endlich mal die Comic-Ableger von Dark Horse Comics zur Serie zu lesen. Die gibt es seit einiger Zeit gesammelt als Mass Effect: The Complete Comics* in Taschenbuchform.

Letzteres ist etwas… ungünstig, denn es sind insgesamt 800 Seiten. Und ein Taschenbuch im Format 260x170mm mit so viel Umfang ist absolut unhandlich. Da fallen einem die Arme ab, wenn man versucht das z.B. im Bett zu lesen. Aber gut: Irgendwie habe ich es ohne dauerhafte Schäden hinbekommen. Inhaltlich erwarten euch hauptsächlich Geschichten, die vor Mass Effect 2 angesiedelt sind. Ihr wisst schon: Die Suche nach Shephards Leiche und was so eure späteren, potentiellen Crewmitglieder in ihrem vergangenen Leben getrieben haben. Der Shadowbroker, Cerberus und Omega-Station sind die am häufigsten wiederkehrenden Akteure. Das letzte Heft beschäftigt sich hingegen mit der Vorgeschichte von Mass Effect Andromeda.

Der Inhalt

Der Stil der Comics ist typisch Amerikanisch. Wer also schon einmal einen moderneren Superheldencomic von Marvel oder DC gelesen hat, weiß was ihn erwartet. Ich persönlich bin nicht der ganz große Fan davon (mir ist der Stil zu hart und grimmig) aber objektiv betrachtet sind die Zeichnungen detailliert, sprich die Charaktere und ihre Emotionen kommen gut zur Geltung und auch die Action ist ansprechend in Szene gesetzt. Nur selten musste ich genauer hinschauen, um zu verstehen, was eigentlich gerade passiert ist.

Mein größtes Problem mit dem Mammutwerk ist deshalb ein anderes: Es erwartet faktisch, dass ihr im Minimum Mass Effect 2 gespielt habt. Das macht insofern Sinn, dass es sich ja technisch gesehen um Begleitmaterial für Fans handelt. Da mein Durchlauf aber mittlerweile 13 Jahre her ist, fehlen mir dann doch so einige Zusammenhänge. Natürlich ist mir bei den wichtigsten Charakteren wie Miranda, Cerberus oder Liara T’Soni noch ein bisschen was im Kopf. Aber eben nicht so ganz die tiefen Details. Und bei allem anderen wird es noch schwammiger von wegen “sollte ich den kennen”? Und auch dazugehörige Situationen, auf denen die Geschichten aufbauen, sind mir nicht mehr ganz so präsent. Sprich, die Erzählungen haben durchaus das Problem auf eigenen Beinen zu stehen. Zwar braucht es für Blasto: Eternity is Forever nur die Grundkenntnis darüber, was ein Hanar ist, um es lustig zu finden einen als Pseudo-James-Bond zu erleben. Aber, wenn es beispielsweise in Foundation um die Hintergrundgeschichten der Begleiter geht, fehlte mir nach all der Zeit durchaus einiges an Zusammenhang, um wirklich reinzukommen.

Insofern: Für Fans, deren Erinnerung an die Serie noch frisch ist, sicherlich eine geile Sache, um noch tiefer in das Universum einzutauchen. Ich hingegen muss wohl erstmal wieder die Spiele spielen, bevor ich ein abschließendes Urteil über die Comics fällen kann. Ein schlimmes Los, ich weiß…

Hattet ihr auch schon einmal das Gefühl, dass die Welt um euch herum nicht echt ist? Dass ihr nur Teil eines Spiels oder anderer Art von virtueller Umgebung seid? Teil der Matrix, wie es vor allem in Verschwörungskreisen so schön heißt – zumindest seit 1999 der gleichnamige Film die Welt eroberte? Euer Tun und Denken von einer fremden Macht gesteuert wird (wahlweise Gott oder Bill Gates)? Ja? Dann seid ihr damit definitiv nicht allein.

Schon seit der Antike gibt es Theorien zum sogenannten Makrokosmos. Fast alle Religionen fußen auf dem Gedanken, dass es “da oben” ein oder mehrere Wesen gibt, die unser Leben beeinflussen. Und entsprechend ist das Thema auch in der Unterhaltungsbranche schon immer präsent. In der Gutenberg-Datenbank findet ihr beispielsweise Stanley G. Weinbaums Pygmalions Brille von 1935. Die Kurzgeschichte ist eine der ersten, die sich mit dem Thema “Virtuelle Realität” beschäftigte.

Heute möchte ich euch dahingehend ein Werk von Daniel Francis Galouyes vorstellen. Obwohl die Wachowskis es übrigens nie explizit als Inspiration für ihren Mehrteiler genannt haben, gibt es doch verdächtig viele Parallelen. Damit meine ich nicht das offensichtliche (eine Welt in einer Welt und die dort lebenden Personen wissen von Nichts), sondern vor allem Kleinigkeiten wie z.B. Telefone in der virtuellen Realität, die für den Übergang einer Person aus der realen Welt dienen.

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Simulacron-3/Welt am Draht* (1964, 233 Seiten) – In einer nicht näher datierten Zukunft wird die Welt gefühlt hauptsächlich von Marktforschern bevölkert. Sie können euch zu jeder Tages- und Nachtzeit und zu jedem Thema befragen und ihr seid gesetzlich gezwungen mitzumachen. Verweigert ihr die Teilnahme an der Umfrage, gibt es eine Geldstrafe. Keine schöne Vorstellung aber es scheint notwendig, damit die Welt funktioniert oder so und alle haben sich damit abgefunden. Okay, nein natürlich nicht. Bei der TEAG (“Test AG”) haben sie unter der Leitung des Forschers Hannon Fuller einen Simulator gebaut – der namensgebende Simulacron-3. In ihm wurde eine virtuelle Stadt erschaffen, bevölkert von mehreren tausend Charakteren, die der echten Welt zum verwechseln ähnlich sieht. Muss sie ja, schließlich möchte man Daten sammeln, um darauf basierend Entscheidungen in der Realität zu treffen. Eine Ablösung für die Marktforscher quasi, die das nicht so dufte finden. Entsprechend setzen sie alles daran die offizielle Inbetriebnahme zu stoppen.

Die Wissenschaftler können die Geschehnisse in der Welt dabei nicht nur an ihren Bildschirm und über Auswertungen verfolgen, sondern auch selbst darin eintauchen. Dies kann auf verschiedene Arten passieren. Die einfachste ist als Zuschauer in einen Körper zu schlüpfen (=man sieht aus den Augen der Person). Die nächste Stufe ist eine empathische Verbindung aufzunehmen (=ihr spürt Gedanken, Gefühle, etc.). Und die radikalste Variante ist es vollständig als Charakter in die Welt einzutauchen (=die Telefonsituation).

Während Fuller ganz der Forscher ist und den Simulator zur Besserung der Menschheit verwenden möchte, hat der Chef der TEAG eher wirtschaftliche Interessen und möchte das Gerät zum Geldscheffeln und Machtausbau ausbeuten. Entsprechend haben sich die beiden in den Haaren bis eines Tages Fuller plötzlich durch einen Unfall stirbt. Die Geschichte beginnt auf der Party anlässlich der Ernennung seines Nachfolgers, Douglas Hall. Dieser trauert um seinen Kollegen und amüsiert sich eher wenig bis plötzlich der Sicherheitschef von TEAG, Morton Lynch, reinstürmt und unbedingt mit ihm reden möchte. Er faselt etwas davon, dass Fuller ermordet wurde, weil er hinter ein großes Geheimnis gekommen ist. Bevor Lynch jedoch Douglas genaueres erzählen kann, verschwindet dieser einfach – und niemand außer Douglas kann sich plötzlich mehr an ihn erinnern. Es ist der Beginn von Halls Reise hinter den Spiegel. Immer mehr Dinge fallen ihm auf, die irgendwie nicht zusammenpassen. Er fängt an die Realität in Frage zu stellen und zu vermuten, dass er selbst Teil eines Simulators ist. Und – es ist nicht wirklich ein Spoiler – natürlich hat er recht. Außerdem bekommt er plötzlich häufiger Kopfschmerzen und Schwindelanfälle. Was sich dahinter verbirgt verrate ich aber nicht :smile: .

Beim Christoph meint: Von mir gibt es 3 von 5 Sics. Ich wollte ursprünglich vier Sics geben aber im letzten Drittel fällt die Qualität massiv ab. Gefühlt wollte der Autor unbedingt die Sache noch dramatischer werden lassen. Im Ergebnis leidet die Erzählung hingegen am plötzlichen Anstieg von abstrusen Szenarien statt einfach zügig zum Ende zu kommen. Unabhängig davon lässt sich die erste Hälfte des Buches unter dem Begriff “Was ist real?” zusammenfassen, während die zweite unter der Überschrift “Was macht das Wissen nicht real zu sein mit einem?” steht.

Als Leser erlebt man Halls stetigen Abstieg in die absolute Paranoia, die darauffolgende verzweifelte Erkenntnis , dass er Recht hatte und abschließend die Hoffnungslosigkeit, dass das Leben offensichtlich keinen Sinn hat. Bis zu besagtem letztem Drittel eine spannende Erzählung. Und zwar auch dann, wenn man den Twist bereits kennt. Das Interessantere ist zu erfahren wie er es herausfindet und damit umgeht. Und in der heutigen Zeit, in der selbst normale Leute mit Begriffen wie “Sheeple” und “Aufwachen” um sich werfen, ist der Roman vermutlich aktueller denn je – nur vermutlich aus den falschem Gründen.

Der Fernsehfilm

Simulacron-3 wurde seit seiner Veröffentlichung bereits zweimal verfilmt. Von Josef Rusnak kam 1999 (ein paar Monate nach The Matrix – schlechtes Timing) The Thirteenth Floor* in die Kinos. Er soll wohl nicht wirklich gut sein und zudem stark von der Vorlage abweichen. Habe ihn aber noch nicht selbst gesehen. Dafür aber die deutsche Verfilmung:

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Welt am Draht* (1973, zweiteiliger Fernsehfilm, DV) – Das Multitalent Rainer Werner Fassbinder (Regisseur, Schauspieler, Drehbuchautor, Komponist, etc.) steckt hinter diesem Machwerk und es hat lange gedauert, bevor es wieder zugänglich wurde. Erst 2010 gab es eine Restaurierung und eine damit einhergehende Veröffentlichung auf DVD und Blu-ray. Davor kam er nur sehr, sehr selten mal im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Grundsätzlich ist die Geschichte sehr nah an der Vorlage und folgt dieser weite Strecken sogar dialog-genau. Zwar wurden die Namen eingedeutscht – so heißt Douglas Hall z.B. im Film Fred Stiller und Hannon Fuller ist jetzt Henry Vollmer. Aber Leser finden sich sofort zu recht. Je weiter die Geschichte fortschreitet, desto größer werden allerdings die Abweichungen. Die ganze Sache mit den Meinungsforschern kommt zum Beispiel nur am Rande vor, entsprechend fehlen einige Nebenschauplätze aus dem Buch. Außerdem ist die Welt “normaler”. SciFi-Elemente wie Laserwaffen oder fliegende Auto gibt es nicht – dafür aber ein Tastentelefon, welches erst drei Jahre später auf den deutschen Markt kam. Die größte Änderung dürfte aber der Weg zum Finale sein, den wie oben erwähnt der Autor (aus meiner Sicht) unnötig in die Länge gezogen hat. Fassbinder hingegen hat den ganzen Kram einfach rausgelassen. Und das tut dem Film definitiv sehr gut, denn die Geschichte ist nicht sonderlich action-geladen und für heutige Aufmerksamkeitsspannen eher langatmig erzählt. Sich auf das Wesentliche zu konzentrieren war entsprechend die richtige Entscheidung.

Beim Christoph meint: Von mir gibt es 4 von 5 Sics. Ich habe tatsächlich zuerst den Zweiteiler gesehen und mir dann aus Interesse das Buch geholt. Nachdem ich nun beides erfahren habe, kann ich festhalten: Ich finde Fassbinders Interpretation besser als das Original. Zwar leidet der ein oder andere Erzählstrang darunter, dass die Detailtiefe fehlt (Stichwort Meinungsforscher und das dazugehörige Finale vor dem Sitz der Firma). Aber unterm Strich profitiert die Geschichte sehr davon, dass das ganze “Fett” weggeschnitten wurde (vor allem das erwähnte letzte Drittel des Buches) und stattdessen ganz und gar Halls bzw. Stillers Reise im Mittelpunkt steht.

Ich finde auch genial, wie Fassbinder und sein Team den Film in Szene gesetzt haben. Trotzdem, dass die offensichtlichen SciFi-Elemente der Vorlage fehlen, wirkt das Werk von Anfang an befremdlich und komisch. Passt logischerweise perfekt zum Thema und lässt auch den Zuschauer sich fragen ob das jetzt real ist oder nicht. Das liegt jedoch weniger am Setdesign, welches zwar hier und da etwas abgefahren ist aber insgesamt doch größtenteils zu den 60iger/70iger Jahre passt. Stattdessen ist es eher die schauspielerische Leistung (im positiven Sinn), die teils befremdlich wirkt sowie die Kameraeinstellungen. Lysanda und ich hatten sogar zuerst die Vermutung, dass Stiller in einer Welt voller Roboter lebt, so unwirklich und apathisch kommt die Beförderungsfeier daher. Sehr coole Sache und definitiv ein Film, den ich Cyberpunk-Fans ans Herz legen kann. Erwartet nur wie gesagt keine beeindruckende Kung-Fu-Schlacht. Es ist ein Charakterfilm, kein Actionstreifen.

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